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27.05.2015

Nach Kündigung des Gewerbemietvertrags grundsätzlich keine Minderung der bis zur Rückgabe der Räume zu zahlenden Nutzungsentschädigung für nach Kündigung auftretende Mängel.
(BGH, Urteil vom 27.05.2015 - XII ZR 66/13) mehr


Leitsätze des BGH:

a) Eine erstmals nach Vertragsbeendigung eingetretene Verschlechterung der Mietsache,  die  beim  Fortbestehen  des  Mietverhältnisses  eine  Minderung der  Miete  zur  Folge gehabt  hätte,  führt  grundsätzlich  nicht  dazu,  den  Anspruch  des  Vermieters  auf  Zahlung  einer  Nutzungsentschädigung  in  entsprechender  Anwendung  von  § 536  BGB herabzusetzen  (Fortführung  von BGH Urteil vom 7.Dezember 1960 - VIII ZR 16/60 - NJW 1961, 916).
b) Etwas  anderes  gilt  nur  dann,  wenn  den  Vermieter nach Treu  und Glauben
im  Rahmen  des  Abwicklungsverhältnisses ausnahmsweise  eine  nachvertragliche Pflicht zur Beseitigung von Mängeln der vorenthaltenen Mietsache trifft.

Nach zum Ende Mai 2010 wirksamer Kündigung blieb der Gewerbemieter zunächst in den Mieträumen. Im April 2011 wurde er zur Räumung verurteilt. Bis Dezember 2011 zahlte er die frühere Miete als Nutzungsentschädigung in voller Höhe weiter; danach leistete er keine Zahlungen mehr. Ende April 2012 räumte er die Gewerberäume. Gegen die Zahlungsklage wegen der Nutzungsentschädigung für Januar bis April 2012 verteidigt er sich mit der Begründung, dass es zwischen September 2011 und April 2012 insgesamt 5 Wasserschäden gegeben habe, die auf mangelhafte Dachentwässerung infolge  verstopfter  Fallrohre  und  Dachtraufen zurückzuführen sei. Deshalb sei die Tauglichkeit der Mietsache beeinträchtigt und die Nutzungsentschädigung gemindert gewesen. Hilfsweise verteidigt er sich mit Schadensersatzansprüchen, da ihm durch die Wasserschäden Waren im Wert von 62.000 Euro vernichtet worden seien.

Die Instanzgerichte haben den ehemaligen Mieter in vollem Umfang verurteilt, seine Einwände also als nicht durchgreifend beurteilt. Diese Entscheidungen bestätigt der BGH.

Nach Ende des Mietverhältnisses, also nach Wirksamwerden der Kündigung Ende Mai 2010, schuldete der Vermieter dem Mieter nicht mehr die Gebrauchsüberlassung der Mietsache sondern sei der ehemalige  Mieter zur Herausgabe verpflichtet. Für einen erst nach Vertragsende auftretenden "Mangel" habe der Vermieter aber nicht mehr einzustehen, da er keine vertraglichen Ansprüche mehr zu erfüllen habe. Vielmehr habe der Mieter als "Mindestschaden" Nutzungsentschädigung in Höhe der zuletzt geschuldeten Miete zu zahlen, bis er den Herausgabeanspruch des Vermieters erfüllt hat. Nur wenn ein Mietmangel schon während der Vertragslaufzeit bestanden habe und anschließend weiter verläge, sei bis zu dessen Beseitigung auch nur die - während der Vertragslaufzeit kraft Gesetztes - geminderte Miete als entsprechend geringere Nutzungsentschädigung zu zahlen.

Etwas anderes könne nur ausnahmsweise gelten, wenn dem Vermieter im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Einzelfall unter Berücksichtigung der Besonderheiten des beendeten Mietvertrags und der besonderen Belange des Mieters die Erhaltung des zuvor vertraglich geschuldeten Zustands obleigt und ihm dies zumutbar ist. Beispielsweise kann dies dazu führen, dass der Vermieter die Räume weiter mit Heizung, Strom und Wasser zu versorgen hat, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist gewährt worden ist und er die laufende Nutzungsentschädigung in voller Höhe zahlt, so dass dem Vermieter kein wirtschaftlicher Nachteil entsteht. Einen solchen Ausnahmefall hat das Gericht im hier entschiedenen Fall aber nicht gesehen, zumal der Mieter bereits rechtskräftig zur Räumung verurteilt worden war, bevor erstmals "Mängel" angezeigt wurden.

 

13.05.2015

1. Der Gewerbemieter, der rechtzeitig angekündigte Instandsetzungsarbeiten zur Beseitigung eines Mangels nicht durchführen lässt, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Mangel voraussichtlich beseitigt worden wäre, nicht mehr zur Mietminderung berechtigt.
2. Schadensersatzansprüche für z.B. Umsatzeinbußen aufgrund von Instandsetzungsarbeiten stehen dem Mieter nur zu, wenn der Vermieter den Mangel (fahrlässig oder vorsätzlich) verschuldet hat.
3. Die fristlose Kündigung eines Gewerbemietvertrags kann ausnahmsweise auch bei einem Zahlungsrückstand von weniger als einer Monatsmiete zulässig sein. Voraussetzung dafür sind aber besondere Umstände wie z.B. unzureichende Kreditwürdigkeit des Mieters, die finanzielle Situation des Vermieters oder die Auswirkungen des konkreten Zahlungsrückstands.
(BGH, Urteil vom 13.05.2015 - XII ZR 65/14) mehr



Der Mieter einer Gewerbeeinheit betreibt ein Restaurant. Seit Juli 2011 minderte er die Miete wegen zwischenzeitlich aufgetretener Mängel, zuletzt um monatlich 40 %. Mit Schreiben vom 22.01.2013 kündigte die Vermieterin die Mängelbeseitigung an und bat um Bestätigung, dass der Mieter diese zulassen werde. Der Mieter erklärte, er werde die Maßnahmen (nur) zulassen, wenn vorab eine Regelung wegen der während der angekündigten 6 Wochen Bauzeit entstehenden Verluste eine Regelung getroffen werde. Dies lehnte die Vermieterin ab. Eine Mängelbeseitigung wurde nicht durchgeführt.

Nachdem in der Zeit ab Ankündigung der Mängelbeseitigung insgesamt eine Mietminderung in Höhe eines Betrags von (knapp) mehr als 2 Monatsmieten durchgeführt worden war, kündigte die Vermieterin den Mietvertrag im Juli 2013 fristlos.Der Mieter widersprach der Kündigung aufgrund der Mietminderung und machte außerdem ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Die Vermieterin klagte auf Räumung. Das Landgericht verurteilte den Mieter antragsgemäß. Seine Berufung vor dem OLG blieb erfolglos.

Der BGH hebt die Entscheidung auf, da noch nicht alle notwendigen Tatsachen festgestellt worden seien, die zur Entscheidung über den Räumungsanspruch zu klären sind.

Er bestätigt, dass der Mieter nach der angekündigten Mängelbeseitigung nicht mehr zur Mietminderung berechtigt war, allerdings nicht bereits ab Erhalt des Angebots zur Mängelbeseitung, sondern erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Mangelbeseitigung, wäre sie wie angekündigt begonnen worden, auch abgeschlossen worden wäre. Denn auch dann, wenn der Mieter seiner entsprechenden Duldungspflicht nachgekommen wäre, wäre er bis dahin weiter zur Minderung berechtigt gewesen.

Einen Anspruch auf Schadensersatz wegen des Umsatzverlustes während der Schließung des Restaurants aufgrund der Instandsetzungsarbeiten verneint er, weil es hierfür an einer fahrlässigen oder vorsätzlichen Verursachung des Mangels durch die Vermieterin, also an ihrem Verschulden fehle. Eine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht bestehe nur für anfängliche Mängel, also solche, die bereits bei Beginn des Mietverhältnisses vorliegen, da hier die sog. Garantiehaftung greife. Treten Mängel später auf, können sich Schadensersatzansprüche aufgrund der Beeinträchtigungen durch Instandsetzungsarbeiten, die der Vermieter ja gerade durchführe, um seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Mieter zu erfüllen, nur ergeben, wenn ein Verschulden des Vermieters in Bezug auf den Mangel vorläge.

Bereits bisher war davon auszugehen, dass ein Gewerbemietvertrag jedenfalls dann fristlos gekündigt werden darf, wenn für 2 aufeinander folgende Monate insgesamt mehr als 1 Monatsmiete beträgt (und sei es auch nur geringfügig mehr als eine Monatsmiete). Der BGH hat nun entschieden, dass eine fristlose Kündigung auch bei einem Mietrückstand von einer Monatsmiete oder sogar noch weniger, möglicherweise auch nur einer halben Monatsmiete, berechtigt sein kann - allerdings nur, wenn ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen, die eine solche Reduzierung der Anforderungen rechtfertigen. Solche besonderen Umstände können die fehlende Kreditwürdigkeit des Mieters sein, aber auch die besondere finanzielle Situation des Vermieters, wenn er auf die entsprechenden Einnahmen dringend angewiesen ist. Ohne solche besondere Umstände bleibt es aber dabei, dass eine fristlose Kündigung bei einem Rückstand von lediglich einer Monatsmiete oder weniger für zwei aufeinander folgende Monate nicht zulässig sein soll.


 

Laden-Schließung wegen Corona: keine Minderung der Miete oder Pacht

08.10.2021  |  Beschränkungen der Öffnung wegen SARS-CoV2-Bekämpfung stellen keinen Mietmangel dar - "Störung der Geschäftsgrundlage" nur bei relevanten Tatsachen möglich
(OLG Frankfurt/M., Urteile vom 17.09.2021 - 2 U 147/20 und 2 U 18/21) mehr


Mit heute veröffentlichten Urteilen vom 17.09.2021 (2 U 147/20 und 2 U 18/21) hat das Oberlandesgericht Frankfurt/M. Folgendes entschieden:

Die in der hessischen Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus angeordneten Beschränkungen für Einzelhandelsgeschäfte und Gaststätten begründen weder einen zu Minderung berechtigenden Mangel der Räumlichkeiten noch führen sie zur Unmöglichkeit der vom Vermieter oder Verpächter geschuldeten Leistung. Ob eine Anpassung des Vertrages wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage vorzunehmen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit zwei heute veröffentlichten Entscheidungen im Ergebnis die Minderungsbegehren zurückgewiesen.

1.
Im ersten Fall betrieb die Klägerin in Frankfurt als Teil einer bundesweiten Kette ein Sushi-Restaurant. Sie hatte die Räume von dem Beklagten gemietet. Im Zusammenhang mit den hessischen Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus konnte das Lokal zeitweilig nicht betrieben werden. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie während der Zeit der behördlichen Beschränkungen nicht zur vollen Mietzinszahlung verpflichtet gewesen ist. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Klägerin könne nicht Minderung der Miete verlangen, bestätigte das OLG. Die Mietsache sei nicht mangelhaft gewesen. Der Vermieter schuldete allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen einen Geschäftsbetrieb mit dem konkret vereinbarten Zweck führen zu können. Er schuldete dagegen nicht die Überlassung des Betriebs selbst. Das so genannte Verwendungsrisiko trage vielmehr der Mieter. Dem Vermieter sei die von ihm geschuldete Leistung auch nicht unmöglich geworden. Er habe weiterhin die Räumlichkeiten in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen können.

Schließlich könne auch keine Herabsetzung des Mietzinses wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage verlangt werden. Die Folgen der Corona-Pandemie führten zwar zu einer solchen schwerwiegenden Störung. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Parteien bei Kenntnis einer solchen Pandemie eine zeitweise Mietminderung vereinbart hätten. Hier sei aber nicht feststellbar, dass der Mieterin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar sei. Zu berücksichtigen sei dabei maßgeblich die vertragliche und/oder gesetzliche Risikoverteilung, wonach das Verwendungsrisiko den Mieter treffe. Beachtlich seien zudem die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Vertragsparteien. Hier seien ganz erhebliche Darlehensverpflichtungen auf Seiten des Vermieters mit zu gewichten. Im Ergebnis sei dem Vermieter eine Herabsetzung der Miete nicht zumutbar.

2.
In dem zweiten Fall begehrt die Verpächterin ausstehende Pachtzahlungen. Die Pächterin hatte den Vertrag über die Nutzung einer Gaststätte in Wiesbaden wegen der behördlichen Untersagung, Gäste in der Pandemiezeit zu bewirten, am 24.3.2020 außerordentlich gekündigt. Sie räumte das Lokal und stellte alle Zahlungen ein. Das Landgericht hatte die Zahlungsklage abgewiesen. Die Berufung der Verpächterin hatte vor dem OLG Erfolg.

Die Verpächterin hat einen Anspruch auf die Pachtzahlungen ab Mai 2020, urteilte das OLG. Der Vertrag sei nicht durch die außerordentlichen Kündigungen der Pächterin beendet worden. Die pandemiebedingten allgemeinen hoheitlichen Maßnahmen rechtfertigten keine außerordentliche Kündigung. Sie beträfen das Verwendungsrisiko des Pächters, nicht aber die Gebrauchsgewährungspflicht der Verpächter. Der Verpächter habe grundsätzlich nur die Möglichkeit des Gebrauchs zu verschaffen und hierzu die Pachtsachen in einem dem Verwendungszweck entsprechenden Zustand zu halten. Der Verpächter „schulde aber nicht die Überlassung des Betriebs selbst, sondern nur die Überlassung der dazu notwendigen Räume“, betonte das OLG. Insoweit sei ein Pachtvertrag ebenso zu behandeln wie ein Mietvertrag. Auch der Pächter trage das Verwendungsrisiko (in Form der sog. Fruchtziehung).

Die Pachthöhe sei auch nicht aufgrund der behördlichen Beschränkungen gemindert. Die auf Basis des Infektionsschutzgesetzes erfolgten Anordnungen hätten sich nicht gegen das Pachtobjekt selbst, sondern allein gegen die Geschäftsausübung gerichtet.

Es liege auch kein Fall der Unmöglichkeit vor. Die Verpächterin habe die Räume in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen.

Es bestehe auch kein Anspruch auf Anpassung des Mietzinses wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Durch den Eintritt der Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen habe sich diese zwar schwerwiegend verändert. Die Folgen der Pandemie griffen ganz erheblich in den Geschäftsbetrieb der Pächterin ein und beseitigten die Nutzbarkeit der Räume. Eine Anpassung des Pachtzinses sei zum einen allerdings bereits zu keinem Zeitpunkt verlangt worden. Zum anderen müsste die unveränderte Fortführung des Vertrages zu der ursprünglichen Pachthöhe für die Pächterin unzumutbar sein. Dies wäre anhand von Umsatzeinbußen, etwaigen Einsparungen, etwaigen staatlichen Hilfen oder sonstigen relevanten Umständen darzulegen. Da die Pächterin selbst den Betrieb eingestellt hatte, bevor die Betriebsbeschränkungen Auswirkungen auf ihr Geschäft zeigten, könne dies nicht festgestellt werden.

Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Der Senat hat in beiden Fällen wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen.
(PM Nr. 63/2021 v. 08.10.2021)


 

05.11.2014

Weder die Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter noch die Vereinbarung höherer Betriebskostenvorauszahlungen schließen Mängelansprüche des Mieters aus, auch wenn er sich diese Mängelrechte nicht jeweils ausdrücklich vorbehält.
(BGH, Urteil vom 05.11.2014 - XII ZR 15/12) mehr

Die Mieter von Artpraxisräumen hatten nach Ablauf der festen Vertragslaufzeit von 10 Jahren die beiden folgenden Optionen zur Vertragsverlängerung um jeweilis 5 Jahre wahrgenommen. Vor Ausübung der zweiten Verlängerungsoption hatten sie Mängelansprüche geltend gemacht und die Miete seitdem "unter Vorbehalt" gezahlt. Ebenfalls vor Ausübung dieser zweiten Verlängerungsoption und vor Mängelanzeige hatten die Parteien die Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart. Mit der Klage verlangen die Mieter die Rückzahlung der im Hinblick auf die behaupteten Mietminderungsansprüche überzahlten Mietanteile. Der Vermieter verteidigte sich u.a. mit der Begründung, dass sich die Mieter die Mängelrechte bei Ausübung der zweiten Verlängerungsoption nicht vorbehalten hätten und daher gemäß § 536 b BGB (Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsabschluss oder Annahme) mit allen Mängelrechten ausgeschlossen seien.
Nachdem das erstinstanzliche Gericht den Mietern noch überwiegend Recht gegeben hatte, wies das Berufungsgericht die Klage insgesamt insbesondere mit der Begründung ab, § 536 b BGB, der Mängelrechte ausschließt, wenn der Mieter den Mangel bereits bei Vertragsabschluss kennt, sei auf den vorliegenden Fall der Ausübung einer Verlängerungsoption entsprechend anzuwenden.

Die hiergegen gerichtete Revision der Mieter hat Erfolg. Entgegen der Entscheidung des Berufungsgerichts und der überwiegenden Ansicht in der Literatur sei § 536 b BGB auf den Fall der Ausübung einer vereinbarten Verlänmgerungsoption weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Durch die Ausübung der im ursprünglichen Vertrag vereinbarten Verlängerungsoption werde lediglich der ursprüngliche Mietvertrag fortgesetzt und kein neues Mietverhältnis begründet.

Auch die einvernehmliche Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen führe nicht zu einem Verlust der Mängelrechte; das Gesetz unterscheide inwsoweit ausdrücklich zwischen Mänglerechten bei Vertragsbeginn (§ 536 b BGB) und solchen, die erst während des laufenden Mietverhältnisses entstehen (§ 536 c BGB). Zudem sei über die Vorauszahlungen abzurechnen.


 

Mietrecht (Gewerbe).

Zur rechtlichen Beurteilung eines Mischmietverhältnisses - überwiegender Vertragszweck bei Vertragsabschluss maßgeblich - im Zweifel: die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften vorrangig
(BGH, Urteil vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13) mehr

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13) folgendes entschieden:

Es war die Frage zu klären, welchen Vorschriften ein Mietverhältnis unterliegt, das sowohl eine Wohnnutzung als auch eine freiberufliche Nutzung umfasst (sogenanntes Mischmietverhältnis).

Die Beklagten sind Mieter, die Kläger Vermieter eines mehrstöckigen Hauses in Berlin. In dem schriftlichen Mietvertrag vom 20. November 2006 wurde den Mietern gestattet, die Räume im Erdgeschoss als Hypnosepraxis zu nutzen. Mit Schreiben vom 20. Februar 2012 kündigten die Kläger das Mietverhältnis ohne Angaben von Kündigungsgründen zum 30. September 2012. Nachdem die Beklagten der Kündigung widersprochen hatten, erhoben die Kläger Räumungsklage beim Landgericht Berlin. Das Landgericht hat das Mietverhältnis als Wohnraummiete eingeordnet und die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.

Auf die Berufung der Kläger hat das Kammergericht die Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Hauses verurteilt. Es hat das Mietverhältnis als Gewerberaummietverhältnis eingestuft und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Mischmietverhältnis, wie es hier gegeben sei, unterliege insgesamt entweder dem Wohnraum- oder dem Gewerberaummietrecht, je nachdem, welcher Vertragszweck nach dem Parteiwillen bei Vertragsschluss überwiege. Ausschlaggebend sei, dass die Beklagten in einem Teil der Mieträume mit dem Betrieb der Hypnosepraxis ihren Lebensunterhalt bestritten. Dies mache die freiberufliche Nutzung zum vorherrschenden Vertragszweck. Dem stehe auch nicht die Verteilung der Flächen auf die verschiedenen Nutzungszwecke entgegen. Denn die für die gewerbliche Nutzung und die für die Wohnnutzung vorgesehenen Flächen seien gleich groß. Da die gewerbliche Nutzung den Schwerpunkt des Mietverhältnisses bilde, sei – anders als bei der Wohnraummiete – für eine Kündigung des Mietverhältnisses kein berechtigtes Interesse erforderlich.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat hat entschieden, dass das Berufungsgericht zwar zutreffend von einem Mischmietverhältnis, also einem einheitlichen Mietverhältnis über Wohn- und Geschäftsräume, ausgegangen ist, dessen Beurteilung sich wegen der von den Parteien gewollten Einheitlichkeit entweder nach den Bestimmungen der Wohnraummiete oder nach den Vorschriften der Geschäftsraummiete richtet. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht für die rechtliche Einordnung des Mietverhältnisses auf den überwiegenden Vertragszweck bei Vertragsabschluss abgestellt.

Dagegen hat der Bundesgerichtshof beanstandet, dass das Berufungsgericht den vorherrschenden Vertragszweck allein deswegen in der Nutzung zu freiberuflichen Zwecken gesehen hat, weil die Mieter in den angemieteten Räumen eine Hypnosepraxis betreiben und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Das Bestreiten des Lebensunterhalts durch eine freiberufliche oder gewerbliche Nutzung stellt kein sachgerechtes Kriterium für die Bestimmung des überwiegenden Nutzungszwecks dar. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, dass bei einem Mischmietverhältnis die Schaffung einer Erwerbsgrundlage Vorrang vor der Wohnnutzung hat. Dass das Wohnen als wesentlicher Aspekt des täglichen Lebens generell hinter der Erwerbstätigkeit des Mieters zurücktreten soll, lässt sich weder mit der Bedeutung der Wohnung als – grundrechtlich geschütztem – Ort der Verwirklichung privater Lebensvorstellungen, noch mit dem Stellenwert, dem das Wohnen in der heutigen Gesellschaft zukommt, in Einklang bringen.

Bei der gebotenen Einzelfallprüfung sind vielmehr alle auslegungsrelevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei etwa der Verwendung eines auf eine der beiden Nutzungsarten zugeschnittenen Vertragsformulars, dem Verhältnis der für die jeweilige Nutzungsart vorgesehen Flächen und der Verteilung der Gesamtmiete auf die einzelnen Nutzungsanteile Indizwirkung zukommen kann. Lässt sich ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, sind vorrangig die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden. Andernfalls würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen unterlaufen.

Da die Auslegung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft war und weitere Feststellungen nicht zu erwarten waren, hat der Senat die gebotene Vertragsauslegung selbst vorgenommen und entschieden, dass vorliegend unter anderem wegen des auf die Wohnraummiete zugeschnittenen Mietvertragsformulars, der für Gewerberaummietverhältnisse untypischen unbestimmten Vertragslaufzeit sowie wegen der Vereinbarung einer einheitlichen Miete ohne Umsatzsteuerausweis von einem Wohnraummietverhältnis auszugehen ist.

 
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