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Mietrecht Wohnraum


Rechtsmissbräuchliche Auskunftsklage der „Conny GmbH“ zu „Mietpreisbremse“

21.09.2023  |  Klage eines Inkassounternehmens fehlt offensichtlich das Rechtsschutzinteresse, wenn damit nur das eigene Geschäftsmodell gefördert werden soll – auf „Mietpreisbremse“ konnte sich „Conny“ schon nicht stützen
(LG Berlin, Urteil vom 30.08.2023 – 64 S 309/22) mehr


Das Landgericht Berlin hat mit jetzt veröffentlichtem Urteil vom 30.08.2023 (64 S 309/22) u.a. Folgendes entschieden:

Eine allein im Kosteninteresse eines Inkassounternehmens motivierte Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnis rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig, wenn mit ihr Auskunft zu Ausnahmetatbeständen zur „Mietpreisbremse“ gemäß §§ 556d ff BGB verlangt wird, auf die sich der Vermieter mangels rechtzeitigen Hinweises ohnehin nicht berufen könnte.

Die Klägerin ist ein Inkassounternehmen, welches aus abgetretenem Recht eines Wohnungsmieters Ansprüche nach §§ 556d ff BGB zur Durchsetzung der sog. „Mietpreisbremse“ verfolgt. Sie hatte einen Vermieter u.a. auf Auskunft zu Sachverhalten verklagt, die für die Durchsetzung solcher Ansprüche erforderlich sein können. Nach dem Gesetz darf der Vermieter nämlich dann bei Abschluss eines Mietvertrags eine höhere Miete verlangen, als dies nach der „Mietpreisbremse“ normalerweise zulässig ist (§ 556d Abs. 1 BGB: „ortsübliche Vergleichsmiete + 10 %), wenn er sich auf im Gesetz genannte Ausnahmen berufen kann. Auf solche möglichen Ausnahmen bezogen sich die Auskünfte der Klägerin.

Allerdings kann sich ein Vermieter nur dann auf solche Ausnahmen berufen, wenn er dem Mieter diese Informationen erteilt hat (§ 556g Abs. 3 Satz 2 BGB). Hat er sie bei Abschluss des Mietvertrags nicht erteilt, aber später nachgeholt, kann er sich erst 2 Jahre nach der Auskunftserteilung auf diese Ausnahme berufen (§ 556g Abs. 3 Satz 3 BGB) – bis dahin bleiben die Ausnahmen also unberücksichtigt und gilt für die zulässige Miethöhe allein der Grundsatz „ortsübliche Vergleichsmiete + 10 %“.

Im vorliegenden Fall war unstreitig durch den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags kein Hinweis auf eine solche Ausnahme von den Regelungen der Mietpreisbremse erteilt und ein solcher Hinweis auch bislang nicht nachgeholt worden. Deshalb stand fest, dass der Vermieter sich auf eine eventuell vorliegende Ausnahme nicht berufen konnte und auch vor Ablauf von mindestens 2 weiteren Jahren nicht berufen könnte, selbst wenn er die Auskünfte jetzt nachholen würde.

Da die Auskunft für die Geltendmachung von Ansprüchen aus der „Mietpreisbremse“ somit keine Bedeutung haben konnte, fehlte der gleichwohl hierzu erhobenen Klage zur Überzeugung des Landgerichts ein berechtigtes Interesse. Es hat angenommen, dass die Auskünfte nur eingeklagt worden waren, um dadurch höhere Prozesskosten entstehen zu lassen, die die Klägerin („Conny GmbH“) bzw. ihre Prozessbevollmächtigten („Conny Rechtsanwalts-GmbH“) vom Vermieter fordern wollten. Dieses Verhalten hat das Landgericht als rechtsmissbräuchlich angesehen und die Klage insoweit abgewiesen.


 

Vermieter fordert höhere Miete als ortsüblich: „Vormiete“ kann nur in Grenzen herangezogen werden

30.08.2023  |  Soll Miete über 10% höher als ortsüblich sein, ist „Vormiete“ nur maßgeblich, wenn diese selbst die Mietpreisbremse eingehalten hat - ggf. gilt "Vormiete" als auf zulässige Höhe reduziert
(BGH, Urteil vom 19.07.2023 – VIII ZR 229/22) mehr


Der Bundesgerichtshof hat mit heute veröffentlichtem Urteil vom 19.07.2023 ( VIII ZR 229/22) u.a. Folgendes entschieden:

a) Zulässige Miete im Sinne von § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB ist die sich nach den Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) ergebende Miete.

b) Geschuldete Vormiete im Sinne von § 556e Abs. 1 BGB ist bei einem Vormietverhältnis, das ebenfalls bereits den Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) unterlag, die Miete, die nach diesen Vorschriften zulässig gewesen ist. War die ursprünglich vereinbarte Vormiete demnach unzulässig überhöht, ist als geschuldete Vormiete die gemäß § 556g Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB auf die zulässige Höhe reduzierte Miete anzusehen.

c) Die Regelung des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB findet auch dann Anwendung, wenn eine ursprünglich vertraglich vereinbarte Vormiete nach den auf das Vormietverhältnis bereits anwendbaren Vorschriften der §§ 556d ff. BGB überhöht war und sich die für das Vormietverhältnis zulässige Miete ihrerseits aus § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt (Vor-Vormiete).

Aus dem Sachverhalt:

Der Kläger ist seit dem 1. Juli 2017 Mieter einer 38,39 m² großen Wohnung der Beklagten in Berlin, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015, in Kraft getreten am 1. Juni 2015, in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 556d Abs. 1, 2 BGB liegt. Die Nettokaltmiete betrug zunächst 460 € (11,98 €/m²), wobei die Parteien eine Indexmiete vereinbarten. Die ortsübliche Vergleichsmiete lag bei 255,29 € (6,65 €/m²). In dem der Vermietung an den Kläger vorangegangenen Mietverhältnis zwischen der Beklagten und dem Vormieter war gemäß Mietvertrag vom 16. Juni 2015 eine Nettokaltmiete von 422 € (10,99 €/m²) vereinbart worden. Zuvor hatte die Beklagte die streitgegenständliche Wohnung seit 1. März 2014 zu einer Nettokaltmiete von 380 € vermietet (im Folgenden: Vor-Vormiete), was nach der in dem dortigen Miet-vertrag (im Folgenden: Vor-Vormietvertrag) angegebenen Wohnfläche von "ca. 38 m²" einem Quadratmeterpreis von 10 € entspricht.

Der Kläger rügte gegenüber der Beklagten gemäß § 556g Abs. 2 Satz 1 BGB aF einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) und forderte von der Beklagten die Herabsetzung der Miete ab 1. Mai 2021. Zudem stehe ihm ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete zu. Der Kläger hat mit den von ihm insoweit beanspruchten Rückzahlungsansprüchen die Aufrechnung gegen eine aus anderen Gründen folgende, unstreitig bestehende Mietnachzahlungsforderung der Beklagten in Höhe von 835,40 € erklärt und den verbliebenen Restbetrag klageweise geltend gemacht, zunächst in Höhe von 348,42 € nebst Zinsen unter Berücksichtigung eines Rückzahlungsanspruchs für die Monate Mai 2021 bis einschließlich November 2021. Im Wege der Klageerweiterung hat er erstinstanzlich zusätzlich Rückzahlungsansprüche für die Monate Dezember 2021 bis einschließlich Februar 2022 in Höhe von monatlich 108,74 €, mithin in Höhe von insgesamt weiteren 326,22 € nebst Zinsen, geltend gemacht.

Die Beklagte hat widerklagend die Verurteilung des Klägers zur Zahlung restlicher Miete in Höhe von 302,70 € nebst Zinsen begehrt sowie die Feststellung, dass der Kläger ab dem 1. November 2021 eine Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 405,01 € zu zahlen habe.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert, die Klage abgewiesen und - unter Abweisung der weitergehenden Widerklage - den Kläger verurteilt, an die Beklagte 296,30 € nebst Zinsen zu bezahlen. Es hat weiter festgestellt, dass der Kläger ab dem 1. November 2021 zur Zahlung einer monatlichen Nettokaltmiete von 400,90 € zuzüglich monatlicher Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in Höhe von derzeit 75 € verpflichtet ist.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger - ausgehend von den durch das Berufungsurteil unter Übergehung der Klageerweiterung festgestellten Klageanträgen und damit soweit rechtlich im Revisionsverfahren noch möglich - die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von dem Kläger zu zahlende Nettokaltmiete bis zum 31. Oktober 2021 monatlich 380 € und ab dem 1. November 2021 monatlich 400,90 € betrug. Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht unter Zugrundelegung dieser geschuldeten Nettokaltmiete sowie der von dem Kläger erklärten Aufrechnung gegen die Forderung der Beklagten in Höhe von 835,40 € die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung überzahlter Miete aus § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB sowie auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer Miete von nicht mehr als 296,27 € monatlich abgewiesen.

Im Revisionsverfahren nicht zu beanstanden ist weiter, dass das Berufungsgericht der Widerklage überwiegend stattgegeben und einen Anspruch der Beklagten auf Zahlung von 296,30 € bejaht sowie die Verpflichtung des Klägers, ab 1. November 2021 eine Nettokaltmiete von monatlich 400,90 € zuzüglich monatlicher Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 75 € zu bezahlen, festgestellt hat. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht hierbei die Ausnahmevorschrift des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB für anwendbar gehalten, obwohl die vertraglich vereinbarte Vormiete nach den Vorschriften der §§ 556d ff. BGB überhöht war. Zutreffend hat es dabei einen Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Miete in Höhe der Vormiete, soweit diese ihrerseits auf der Grundlage der Vor-Vormiete nach § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB zulässig war, für gegeben erachtet, mithin in Höhe von zunächst monatlich 380 € und nach der Indexmieterhöhung ab dem 1. November 2021 in Höhe von monatlich 400,90 €.

Aus den Regelungen in §§ 556d ff. BGB ergibt sich auf Grund der geschuldeten Vormiete für das vorliegende Mietverhältnis eine bei Vertragsschluss zulässige Miethöhe von monatlich 380 €. Soweit die im Mietvertrag der Parteien vereinbarte Nettokaltmiete in Höhe von 80 € darüber hinausgeht, ist die Vereinbarung gemäß § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB unwirksam.

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass eine Vereinbarung über eine nach den Vorschriften der §§ 556d ff. BGB unzulässig hohe Miete gemäß § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB in der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich zehn Prozent (§ 556d Abs. 1 BGB) oder - sollte diese höher sein - in Höhe der Vormiete (§ 556e Abs. 1 BGB) wirksam und nur der die zulässige Miete überschreitende Teil der Vereinbarung unwirksam ist. Denn eine nach § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB zulässige Miete kann sich auch aus der Ausnahmevorschrift des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben. Ohne Erfolg beruft sich die Revision insoweit darauf, dass § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB an die "zulässige Miete" anknüpfe, während § 556e Abs. 1 BGB nur eine "ausnahmsweise erlaubte" Miete zum Gegenstand habe. Auch wenn § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB den Begriff "zulässige Miete" verwendet, der sich entsprechend auch in der Überschrift zu § 556d BGB, nicht aber in der Regelung des § 556e BGB findet, ist als zulässige Miete in diesem Sinne nicht nur die sich aus § 556d Abs. 1 BGB ergebende Miete (ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich 10 %), sondern auch die nach § 556e BGB aus der geschuldeten Vormiete herzuleitende Miete anzusehen.

Die Anwendung von § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet entgegen der Auffassung der Revision nicht aus, weil in dem ebenfalls bereits den Regelungen der §§ 556d ff. BGB unterliegenden Vormietverhältnis eine hiernach unzulässig überhöhte Miete vereinbart worden war. Vielmehr ist als geschuldete Vormiete in diesem Fall die gemäß § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB auf die zulässige Höhe reduzierte Miete anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn sich die in dem Vormietverhältnis zulässige Miethöhe - wie hier - ihrerseits auf Grund einer Anwendung von § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB, also unter Heranziehung der Vor-Vormiete, bestimmt.

Auch die auf die Widerklage hin - unter Berücksichtigung der oben genannten Aufrechnung - erfolgte Verurteilung des Klägers zur Zahlung von 296,30 € nebst Zinsen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm zutreffend festgestellten geschuldeten monatlichen Miete einen Rückzahlungsanspruch des Klägers aus § 556g Abs. 2 Satz 1 BGB aF in Höhe von insgesamt 539,10 € bejaht.

Rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist schließlich auf der Grundlage des für den Senat im Revisionsverfahren demnach maßgeblichen Rückzahlungsanspruchs des Klägers in Höhe von 539,10 €, dass das Berufungsgericht das Erlöschen dieses Anspruchs durch die erklärte Aufrechnung gegen den unstreitig bestehenden Gegenanspruch der Beklagten 36 - 19 - in Höhe von 835,40 € festgestellt sowie einen nach der Aufrechnung verbliebenen Gegenanspruch der Beklagten in Höhe von 296,30 € für gegeben erachtet und ihr diesen Betrag auf die Widerklage hin zugesprochen hat.


 

Räumung wegen Mietschulden: Mieter muss "unverzügliche" Nachzahlung beweisen

25.04.2023  |  Gleicht Mieter seine Rückstände auch nach Kenntnis nicht "ohne schuldhaftes Zögern" aus, muss er Wohnung räumen - Mieter trägt Risiko, wenn seine Bank die Überweisung nicht rechtzeitig ausführt
(LG Berlin, Urteil vom 25.04.2023 - 67 S 103/22) mehr


Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 25.04.2023 (67 S 103/22) Folgendes entschieden:

Mieter kommen mit der laufenden Miete nicht in Verzug, solange sie die Zahlungsanweisung bis zur Fälligkeit der Miete vornehmen und die Miete dem Konto des Vermieters später - wenn auch erst nach dem Fälligkeitstermin - tatsächlich gutgeschrieben wird. Bestreitet der Vermieter allerdings die Gutschrift, tragen die Mieter die Beweislast für den (verspäteten) Zahlungseingang und geraten - im Fall der späteren Nichterweislichkeit der streitigen Gutschrift - mit ihren Mietzahlungen jedenfalls dann in Verzug, wenn sie die Zahlungen nicht unverzüglich erneut vornehmen, nachdem sie vom Vermieter auf deren bislang unterbliebenen Eingang hingewiesen worden sind.

Die klagende Vermieterin verlangt von den beklagten Mietern die Räumung ihrer Wohnung wegen Mietrückständen.
Das Amtsgericht und - im Rahmen der Berufung - auch das Landgericht haben der Räumungsklage stattgegeben. Es war der Kündigungsgrund i.S.v. §§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b) BGB gegeben. Danach liegt ein wichtiger Grund, der jede Vertragspartei zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt, vor, wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Dies liegt darin begründet, dass es sich bei Mietschulden, wie bei anderen Geldschulden auch, um eine sogenannte qualifizierte Schickschuld handelt, die im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen ist. MIeter als Schuldner der Mietzahlungspflicht kommen nach § 535 Abs. 1 BGB mit der laufenden Miete nicht in Verzug, solange sie die Zahlungsanweisung bis zur Fälligkeit der Miete vornehmen und die Miete dem Konto des Vermieters später – wenn auch erst nach dem Fälligkeitstermin – tatsächlich gutgeschrieben wird.

Bestreitet der Vermieter allerdings die Gutschrift, tragen die Mieter die Beweislast für den (verspäteten) Zahlungseingang und geraten – im Fall der späteren Nichterweislichkeit der streitigen Gutschrift – mit ihren Mietzahlungen jedenfalls dann in Verzug, wenn sie die Zahlungen nicht unverzüglich erneut vornehmen, nachdem sie vom Vermieter auf deren bislang unterbliebenen Eingang hingewiesen worden sind. Dieser Beweis ist den Beklagten jedoch nicht gelungen.

Das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, dass die von den Beklagten behaupteten fünf Mietzahlungen vom 16.01.2021 (350,00 EUR), 23.02.2021 (300,00 EUR), 20.04.2021 (400,00 EUR), 20.05.2021 (400,00 EUR) sowie 02.07.2021 (400,00 EUR) nicht zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen waren. Gleiches gilt für die im weiteren Verfahren behaupteten zusätzlichen Zahlungen vom 15.11.2021 (450,00 EUR), 18.01.2022 (475,00 EUR) sowie 13.02.2022 (475,00 EUR).

Hinsichtlich keiner dieser Zahlungen sind die Beklagten der ihnen obliegende Darlegungs- und Beweislast dahingehend nachgekommen, dass nachgewiesen worden wäre, dass die entsprechenden Zahlungen bei der Klägerin als Gläubigerin des Mietzinsanspruches eingegangen sind.

Die Beklagten haben diesen Zahlungsverzug auch zu vertreten i.S.v. § 286 Abs. 4 BGB. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Beklagten zunächst keine Kenntnis davon hatten, dass die von ihnen behaupteten Zahlungen vom 16.01.2021, 23.02.2021, 20.04.2021 sowie 20.05.2021 nicht bei der Klägerin gutgeschrieben wurden, haben sie jedenfalls durch die Klageschrift vom 01.09.2021 und die darin enthaltene Mieterkontoübersicht von dem nach Auffassung der Klägerin bestehenden Mietrückstand erfahren. Dennoch haben sie in der Folge weder den Mietrückstand ausgeglichen, noch dafür Sorge getragen, dass jedenfalls bei folgenden Zahlungen sichergestellt ist, dass diese auf dem Empfängerkonto der Klägerin eingehen.

§ 675z BGB, nach der einem Zahlungsdienstnutzer – hier also den Beklagten – bei nicht erfolgter, fehlerhafter oder verspäteter Ausführung eines Zahlungsauftrags ein Schadensersatzanspruch gegen den Zahlungsdienstleister zustehen kann, betrifft lediglich das Innenverhältnis des Zahlungsschuldners gegen den Zahlungsdienstleister und hat auf die Verzugslage zum Zeitpunkt des Zugangs der hier streitgegenständlichen Kündigung keinen Einfluss.

Weiter hat das Amtsgericht zutreffend erkannt, dass eine Vertragsfortsetzung wegen der von den Beklagten vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht kommt, da hier ein Grund vorliegt, der die Klägerin zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.


 

Mieterhöhung: Formale Hürden für Erklärung des Vermieters dürfen nicht hoch sein

20.07.2022  |  Mieterhöhungserklärung erfordert keine Aufteilung der Modernisierungskosten nach Gewerken - Angabe einer in den Gesamtkosten enthaltenen Instandsetzungsquote oder eines bezifferten Betrags genügt
(BGH, Urteile vom 20.07.2022 - VIII ZR 337/21, VIII ZR 339/21 und VIII ZR 361/21) mehr


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteilen vom 20.07.2022 (VIII ZR 337/21, VIII ZR 339/21 und VIII ZR 361/21) Folgendes entschieden:

Zur Erfüllung der formellen Anforderungen des § 559b Abs. 1 Satz 2 BGB ist ausreichend, wenn ein Vermieter die für eine bestimmte Modernisierungsmaßnahme angefallenen Kosten als Gesamtsumme ausweist und einen seiner Meinung nach in den Gesamtkosten enthaltenen Instandsetzungsteil durch die Angabe einer Quote oder eines bezifferten Betrags kenntlich macht; eine Aufschlüsselung der für eine bestimmte Modernisierungsmaßnahme entstandenen Gesamtkosten nach den einzelnen angefallenen Gewerken oder anderen Bauleistungsbereichen ist hingegen grundsätzlich nicht erforderlich.

Der Bundesgerichtshof hat sich mit den formellen Anforderungen an Mieterhöhungsklärungen nach der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen befasst. Es handelt sich um drei von einer Vielzahl beim VIII. Zivilsenat anhängiger Verfahren, mit denen Mieter verschiedener Wohnungen in Bremen gegen Mieterhöhungen der beklagten Vermieterin vorgehen.

Sachverhalt:

In sämtlichen Verfahren sind die Kläger jeweils Mieter von Wohnungen der Beklagten in Bremen. Diese erhöhte infolge von Modernisierungen der betreffenden Wohnungen sowie der Gebäude, in denen sich die Wohnungen befinden, die monatlich zu zahlende Grundmiete. Den Mieterhöhungsschreiben war jeweils eine als "Kostenzusammenstellung und Berechnung der Mieterhöhung" bezeichnete Anlage beigefügt. Diese enthielt unter anderem Angaben zu den einzelnen Modernisierungsmaßnahmen, die hierfür jeweils angefallenen Gesamtkosten, den jeweils nach Abzug der Instandhaltungskosten verbleibenden umlagefähigen Modernisierungskostenanteil sowie die sich daraus ergebende Berechnung der jeweiligen Mieterhöhung. Die Kläger halten die Mieterhöhungserklärungen bereits aus formellen Gründen für unwirksam. Sie begehren mit ihren Klagen die Feststellung, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete nicht zustehe, und zum Teil zusätzlich die Rückzahlung ihrer Ansicht nach überzahlter Mieten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Berufungsgericht hat in allen drei Verfahren die Mieterhöhungserklärungen bereits aus formellen Gründen für unwirksam erachtet und den Klagen jeweils stattgegeben. Jedenfalls bei umfassenden und kostenträchtigen Modernisierungsmaßnahmen beziehungsweise solchen, die außerhalb der Wohnung des Mieters vorgenommen würden oder mehrere Gebäude umfassten, sei zur Erfüllung der formellen Anforderungen des § 559b Abs. 1 Satz 2 BGB eine weitere Untergliederung der betreffenden Kostenpositionen erforderlich. Das könnte etwa durch eine Aufschlüsselung nach verschiedenen Gewerken, "konkreten Arbeitsabschnitten" oder "greifbaren Einzelarbeiten" erfolgen. Nur auf diese Weise könne der Mieter den Kostenansatz des Vermieters auf seine Plausibilität und Berechtigung im Hinblick auf etwa in ihm enthaltene, nicht umlagefähige Instandhaltungskosten (§ 559 Abs. 2 BGB) überprüfen. Mit den vom Berufungsgericht jeweils zugelassenen Revisionen verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es zur Erfüllung der formellen Anforderungen des § 559b Abs. 1 Satz 2 BGB ausreichend ist, wenn ein Vermieter die für eine bestimmte Modernisierungsmaßnahme angefallenen Kosten als Gesamtsumme ausweist und einen seiner Meinung nach in den Gesamtkosten enthaltenen Instandsetzungsteil durch die Angabe einer Quote oder eines bezifferten Betrags kenntlich macht. Eine Aufschlüsselung der für eine bestimmte Modernisierungsmaßnahme entstandenen Gesamtkosten nach den einzelnen angefallenen Gewerken oder anderen Bauleistungsbereichen ist hingegen grundsätzlich auch dann nicht erforderlich, wenn umfangreiche und entsprechend kostenträchtige bauliche Veränderungen oder Maßnahmen außerhalb der betroffenen Wohnung oder an mehreren Gebäuden ausgeführt wurden.

Nach § 559 Abs. 1 BGB kann der Vermieter nach der Durchführung bestimmter Modernisierungsmaßnahmen die jährliche Miete um 11 Prozent (seit 1. Januar 2019 um 8 Prozent) der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Dabei ist die Mieterhöhung gemäß § 559b Abs. 1 BGB dem Mieter in Textform zu erklären und darin die Erhöhung aufgrund der entstandenen Kosten zu berechnen und entsprechend den Voraussetzungen der §§ 559, 559a BGB zu erläutern. Damit soll insbesondere eine Abgrenzung berücksichtigungsfähiger Modernisierungsmaßnahmen (§ 555b BGB) von insoweit nicht berücksichtigungsfähigen Erhaltungsmaßnamen (§ 555a BGB) gewährleistet werden.

Diese formellen Anforderungen an die Erhöhungserklärung in § 559b Abs. 1 BGB bilden das notwendige Gegengewicht zu der dem Vermieter in Abweichung von allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts eingeräumten Möglichkeit, die Pflicht des Mieters zur Mietzahlung durch einseitige Erklärung zu gestalten. Der Mieter soll in die Lage versetzt werden, den Grund und den Umfang der Mieterhöhung auf Plausibilität zu überprüfen und entscheiden zu können, ob Bedarf für eine eingehendere Kontrolle - etwa durch Zuziehung juristisch oder bautechnisch sachkundiger Personen, durch Einholung weiterer Auskünfte beim Vermieter und/oder durch Einsichtnahme in die Rechnungen und sonstigen Belege - besteht.

Dennoch dürfen die Hürden für die Mieterhöhungserklärung in formeller Hinsicht nicht zu hoch angesetzt werden. Denn eine Überspannung der Anforderungen könnte dazu führen, dass der Vermieter eine inhaltlich berechtigte Mieterhöhung nicht durchsetzen könnte und ihm der Anreiz zur Durchführung von - vom Gesetzgeber ausdrücklich erwünschten - Modernisierungsmaßnahmen genommen würde.

Davon ausgehend ist es in formeller Hinsicht ausreichend, wenn der Vermieter in der Mieterhöhungserklärung die für eine bestimmte Modernisierungsmaßnahme angefallenen Kosten als Gesamtsumme ausweist und einen aus seiner Sicht in den Gesamtkosten enthaltenen Instandsetzungsanteil durch die Angabe einer Quote oder eines bezifferten Betrags kenntlich macht. Welchen weiteren - für die beschriebene Zielsetzung des § 559b Abs. 1 BGB maßgeblichen - Erkenntnisgewinn die vom Berufungsgericht geforderte weitergehende Aufschlüsselung der entstandenen Gesamtkosten nach Gewerken oder vergleichbaren Kriterien dem Mieter vermittelte, ist nicht ersichtlich. Zudem hat das Berufungsgericht nicht hinreichend in den Blick genommen, dass dem Mieter zur Klärung verbleibender Unsicherheiten oder auch zur Kontrolle der Angaben des Vermieters über dessen Aufwendungen auf ihre sachliche Richtigkeit ein umfassendes Auskunfts- und (Belege-)Einsichtsrecht zur Verfügung steht.

Ob die vom Vermieter angesetzten Erhöhungsbeträge tatsächlich zutreffend und angemessen sind, betrifft allein die materiell-rechtliche Nachprüfung der Erhöhungserklärung nach § 559 BGB. In deren Rahmen obliegt dem Vermieter die Darlegungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass es sich bei den durchgeführten Baumaßnahmen um Modernisierungs- und nicht um Erhaltungsmaßnahmen handelt, sondern auch dafür, dass die der Mieterhöhung zugrunde gelegten Kosten nicht (teilweise) auf der Erhaltung dienende Maßnahmen entfallen sind.

Da das Berufungsgericht die hierfür erforderlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat, hat der Senat die Berufungsurteile in allen drei Verfahren aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bremen zurückverwiesen.
(PM Nr. 114/2022 v. 21.07.2022)


 

Heizkosten: Schätzung auch mithilfe von Wohnungen in anderem Gebäude zulässig

13.12.2021  |  Für Vergleichbarkeit des Wärmemengenverbrauchs kommt es nicht darauf an, dass sich diese in demselben Gebäude wie diejenigen befinden, für die eine Schätzung des Wärmeverbrauchs zu erfolgen hat.
(BGH, Urteil vom 27.10.2021 - VIII ZR 264/19) mehr


Der Bundesgerichtshof hat mit heute veröffentlichtem Urteil vom 27.10.2021 (VIII ZR 264/19) hat Folgendes entschieden:

Ist der Wärmemengenzähler in einer Wohnung defekt, kann der Vermieter die Heizkosten auch anhand der Heizkosten von Räumen ermitteln, die in anderen Gebäuden liegen.

Der Bundesgerichtshof hält eine solche Schätzung für rechtmäßig, weil für die Ermittlung Ersatzkriterien wie Bausubstanz oder Nutzungsintensität maßgeblich sind - nicht aber, in welchem Gebäude die Vergleichswohnung liegt. Bei der Schätzung gehe es dem Gesetzgeber um den Ausgleich der beiderseitigen Interessen und nicht um die korrekte Erfassung der Heizkosten.

Problem: Heizkostenzähler defekt
In einer Mainzer Dachgeschosswohnung war bei dem Einzug der Mieterin der Wärmemengenzähler kaputt. Nachdem sie die Heizkostenabrechnung für drei Jahre bemängelt hatte, stellte der Vermieter den Fehler fest und ersetzte den Zähler. Leider erfasste auch dieser die verbrauchte Wärme nicht korrekt und musste ebenfalls ausgetauscht werden.

In seinen korrigierten Betriebskostenabrechnungen schätzte der Vermieter die verbrauchte Heizungsmenge anhand von vergleichbaren Wohnungen in demselben Gebäude, aber auch in anderen Häusern. Insgesamt sollte die Mieterin Betriebskosten für vier Jahre in Höhe von knapp 1.000 Euro nachzahlen. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Mainz wiesen seine Klage ab. Der Vermieter wandte sich aber mit Erfolg an den Bundesgerichtshof.

BGH: Heizkostenvergleich mit Wohnungen in anderen Gebäuden möglich
Nach Ansicht des BGH kann der Anspruch auf Nachzahlung der Heizkosten nicht mit dem Argument, der Vermieter habe auch den Wärmeverbrauch in Wohnungen anderer Gebäude herangezogen, abgelehnt werden. Da die Verbrauchsmenge nicht korrekt erfasst werden konnte, habe der Hauseigentümer ihren Verbrauch zu Recht nach § 9a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV geschätzt.

Diese Vorschrift habe zum Ziel, den Verbrauch anhand von Ersatzkriterien zu schätzen, um die Interessen beider Parteien zum Ausgleich zu bringen. Für diese Schätzung ist dem VIII. Zivilsenat zufolge die Bausubstanz, Nutzungsintensität, Größe der Räume etc. maßgeblich, nicht aber, in welchem Gebäude sich die zu heizenden Räume befinden.

Vergleich: Kein unvertretbares Kostenrisiko für die Mieterin
Die Karlsruher Richter ließen den Einwand, dass die Mieterin die Werte von Wohnungen in fremden Gebäuden nicht nachprüfen könne, nicht gelten. Bei Zweifeln trage der Hauseigentümer die Darlegungs- und Beweislast für die richtige Erfassung der Betriebskosten.

Der Mieterin stehe es frei, mit Nichtwissen zu bestreiten. In diesem Fall müsse - je nach Sachkunde des Gerichts - ein Sachverständigengutachten erstellt werden. Da das Berufungsgericht hinsichtlich der Vergleichbarkeit noch zu wenige Feststellungen getroffen hat, haben die Bundesrichter die Sache zurückverwiesen.
(beck-aktuell 2021759/13.12.2021)


 

Teil-Untervermietung: Mieter muss konkretes Raumkonzept vorlegen

15.07.2021  |  Will Mieter nur Teile der Mieträume Dritten überlassen, müssen seine Angaben plausibel sein - Vermieter muss den Mieter hierüber nicht aufklären
(LG Berlin, Beschluss vom 15.07.2021 - 67 S 87/21) mehr


Das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 15.07.2021 (67 S 87/21) folgendes entschieden:

1. Ein auf die teilweise Gebrauchsüberlassung der Mietsache gerichteter Antrag des Mieters genügt nur dann den Anforderungen des § 553 BGB, wenn er auch Angaben zum räumlichen Überlassungskonzept des Mieters enthält.
2. Das Genehmigungsgesuch des Mieters löst frühestens dann einen Erlaubnisanspruch - und einen auf der unterlassenen Erlaubnis beruhenden Schadensersatzanspruch des Mieters - aus, wenn sich aus seinem Antrag ausdrücklich oder jedenfalls konkludent ergibt, dass keine vollständige Überlassung der Mietsache, sondern lediglich eine im Einklang mit § 553 Abs. 1 BGB stehende Vermietung eines konkret zu bezeichnenden „Teils des Wohnraums“ beabsichtigt ist.
3. Ein Anspruch auf Erlaubniserteilung scheidet jedenfalls dann aus, wenn der Mieter in seiner Anfrage schon nicht die Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung eines bloßen „Teils der Mietsache“, sondern zur räumlich nicht näher beschränkten „Untervermietung“ verlangt. Nichts anderes gilt im Falle der abstrakten Beschränkung der Anfrage auf die Überlassung eines bloßen Teils der Mietsache, wenn dieser nicht konkret und nachvollziehbar bezeichnet wird, obwohl die Möglichkeit zur lediglich teilweisen Überlassung wegen der Raumanzahl oder des Schnitts der Mietsache fernliegt oder sogar als ausgeschlossen erscheint.
4. Eine auf § 242 BGB beruhende Verpflichtung des Vermieters, den Mieter auf dessen sich aus § 553 BGB ergebende Formalpflichten zur Erwirkung einer Überlassungserlaubnis hinzuweisen, besteht nicht. Das gilt auch dann, wenn der Vermieter die Verweigerung der Erlaubniserteilung gegenüber dem Mieter nicht mit dem unzureichenden Inhalt der Anfrage begründet, sondern mit einer anderen Begründung verweigert hat.

Gründe:

Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie aus den Gründen des Hinweisbeschlusses offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte und auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Beschlusszurückweisung erfüllt waren. Die Stellungnahme der Klägerin vom 9. Juli 2021 rechtfertigt keine ihr günstigere Beurteilung.

Zwar können dem Wohnraummieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB grundsätzlich Schadensersatzansprüche wegen einer vom Vermieter verweigerten Genehmigung der Gebrauchsüberlassung zustehen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 11. Juni 2014 - VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2717). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Vermieter die Genehmigung entgegen § 553 Abs. 1 und 2 BGB zu Unrecht nicht erteilt hat. Daran fehlte es hier, da der Anspruch auf Erteilung einen den Anforderungen des § 553 Abs. 1 BGB genügenden Antrag erfordert (vgl. Emmerich, in: BeckOGK, BGB, Stand: 1. Juli 2021, § 553 Rz. 27).

Dem werden die den Beklagten vor dem hier streitgegenständlichen Vermietungszeitraum zugegangenen Schreiben der Klägerin nicht gerecht. Denn ein den Anforderungen des § 553 Abs. 1 und 2 BGB genügender Antrag muss auch Angaben zum räumlichen Überlassungskonzept des Mieters enthalten. Er löst auf Seiten des Mieters frühestens dann einen Erlaubnisanspruch - und einen auf der unterlassenen Erlaubnis beruhenden Schadensersatzanspruch - aus, wenn sich aus seinem Antrag ausdrücklich oder jedenfalls konkludent ergibt, dass keine vollständige Überlassung der Mietsache, sondern lediglich eine im Einklang mit § 553 Abs. 1 BGB stehende Vermietung eines konkret zu bezeichnenden „Teils des Wohnraums“ beabsichtigt ist.

Ein Anspruch auf Erlaubniserteilung scheidet jedenfalls dann aus, wenn der Mieter in seiner Anfrage schon nicht die Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung eines bloßen „Teils der Mietsache“, sondern zur räumlich nicht näher beschränkten „Untervermietung“ verlangt. Nichts anderes gilt im Falle der abstrakten Beschränkung der Anfrage auf die Überlassung eines bloßen Teils der Mietsache, wenn dieser nicht konkret und nachvollziehbar bezeichnet wird, obwohl die Möglichkeit zur lediglich teilweisen Überlassung der Mietsache wegen der Raumanzahl oder des Schnitts fernliegt oder sogar als ausgeschlossen erscheint. So aber lag der Fall hier aus den Gründen des Hinweisbeschlusses.

Nichts anderes folgt aus der von der Klägerin nunmehr ins Feld geführten gewerberaummietrechtlichen Rechtsprechung (OLG Köln, Urt. v. 12. April 1996 - 20 U 166/95, WuM 1997, 620), da diese lediglich die hier nicht einschlägige Präklusion von Verweigerungsgründen im Falle einer Kündigung des Mieters nach § 549 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. (§ 540 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) betrifft.

Schließlich ergeben sich Schadensersatzansprüche der Klägerin auch nicht daraus, dass es die Beklagten versäumt hätten, sie auf ihre Pflicht zur Darlegung eines den Anforderungen des § 553 Abs. 1 BGB entsprechenden Konzeptes zur Überlassung eines konkreten „Teils des Wohnraums“ hinzuweisen.

Eine Verpflichtung des Vermieters, den Mieter auf dessen sich aus § 553 Abs. 1 BGB ergebende Formalpflichten zur Erwirkung einer Überlassungserlaubnis hinzuweisen, besteht nicht. Sie ergibt sich auch nicht aus § 242 BGB, da jede Partei selbst dafür verantwortlich ist, sich die zur Wahrung und Geltendmachung ihrer Rechte erforderliche Kenntnis der Vertrags- und Gesetzeslage selbst zu verschaffen (vgl. KG, Urt. v. 4. November 2010 - 2 U 116/05, MMR 2011, 168, juris Tz. 18).

Das gilt auch dann, wenn der Vermieter wie hier die Verweigerung der Erlaubniserteilung gegenüber dem Mieter nicht mit dem unzureichenden Inhalt der Anfrage zur Erlaubnis begründet, sondern mit einer anderen Begründung verweigert hat.
Davon ausgehend konnte die höchstrichterlich noch ungeklärte Frage dahinstehen, ob § 553 Abs. 1 BGB die Gebrauchsüberlassung einer Einzimmerwohnung überhaupt gestattet (vgl. Emmerich, a.a.O., § 553 Rz. 12 m.w.N.).


 

Berliner "Mietenstopp" ist verfassungswidrig

15.04.2021  |  Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin („Berliner Mietendeckel“) ist nichtig - Berlin hatte keine Gesetzgebungskompetenz - Berliner Gesetzgeber gefährdete Ausgleichung der beteiligten Interessen
(BVerfG, Beschluss vom 25.03.2021 - 2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20) mehr

Mit heute veröffentlichtem Beschluss vom 25.03.2021 ( 2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20) hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts folgendes entschieden:

Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) für mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig erklärt.
Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Die Länder sind nur zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (Art. 70, Art. 72 Abs. 1 GG). Da der Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht in den §§ 556 bis 561 BGB abschließend geregelt hat, ist aufgrund der Sperrwirkung des Bundesrechts für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder kein Raum. Da das MietenWoG Bln im Kern ebenfalls die Miethöhe für ungebundenen Wohnraum regelt, ist es insgesamt nichtig.

Sachverhalt:

Das MietenWoG Bln trat – mit Ausnahme des § 5 MietenWoG Bln – am 23. Februar 2020 in Kraft. Der „Berliner Mietendeckel“ besteht für die von seinem Anwendungsbereich erfassten Wohnungen im Wesentlichen aus drei Regelungskomplexen: einem Mietenstopp, der eine Miete verbietet, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet (vgl. §§ 1, 3 MietenWoG Bln), einer lageunabhängigen Mietobergrenze bei Wiedervermietungen (vgl. §§ 1, 4 MietenWoG Bln), wobei gebäude- und ausstattungsbezogene Zuschläge sowie bestimmte Modernisierungsumlagen erlaubt sind (vergleiche §§ 1, 4 in Verbindung mit §§ 6, 7 MietenWoG), sowie einem gesetzlichen Verbot überhöhter Mieten (vergleiche §§ 1, 5 MietenWoG Bln). Auf Neubauten, die ab dem 1. Januar 2014 erstmalig bezugsfertig wurden, finden die Vorschriften des MietenWoG Bln dagegen keine Anwendung.

Die Antragsteller im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (2 BvF 1/20) – 284 Abgeordnete des Deutschen Bundestages der Fraktionen von CDU/CSU und FDP – halten das MietenWoG Bln für unvereinbar mit der grundgesetzlichen Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff. GG). Die beiden Richtervorlagen (2 BvL 4/20 und 2 BvL 5/20) betreffen die Vereinbarkeit von § 3 MietenWoG Bln mit dem Grundgesetz.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Das MietenWoG Bln ist mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.

1. Das Grundgesetz geht von einer in aller Regel abschließenden Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern aus. Abgrenzung und Inhalt der Gesetzgebungsbefugnisse von Bund und Ländern richten sich dabei ausschließlich nach Art. 70 ff. GG. Die Gesetzgebungskompetenzen werden insbesondere mittels der Kataloge der Art. 73 und Art. 74 GG durchweg alternativ voneinander abgegrenzt. Doppelzuständigkeiten sind dem Grundgesetz in der Regel fremd. Der Bund hat demnach das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz ihm dieses ausdrücklich zuweist. Der Kompetenzbereich der Länder wird daher grundsätzlich durch die Reichweite der Bundeskompetenzen bestimmt, nicht umgekehrt. Eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder kennt das Grundgesetz nicht. Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen sind zwar zulässig, gewähren den Ländern aber keine über die Öffnung hinausgehenden Spielräume.

2. Die konkurrierende Gesetzgebung regelt das Grundgesetz im Wesentlichen in den Art. 72 und Art. 74 sowie Art. 105 GG abschließend. Macht der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch, verlieren die Länder gemäß Art. 72 Abs. 1 GG das Recht zur Gesetzgebung in dem Zeitpunkt („solange“) und in dem Umfang („soweit“), in dem der Bund die Gesetzgebungskompetenz zulässigerweise in Anspruch nimmt (sogenannte Sperrwirkung). Soweit die Sperrwirkung reicht, entfällt die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Sie verhindert für die Zukunft den Erlass neuer Landesgesetze und entzieht in der Vergangenheit erlassenen Landesgesetzen die Kompetenzgrundlage, sodass sie nichtig sind beziehungsweise werden. Die Sperrwirkung setzt voraus, dass bundes- und landesgesetzliche Regelung denselben Gegenstand betreffen. In sachlich-inhaltlicher Hinsicht reicht sie so weit, wie der Bundesgesetzgeber eine erschöpfende, also lückenlose und abschließende Regelung getroffen hat beziehungsweise treffen wollte.

3. Regelungen zur Miethöhe für ungebundenen Wohnraum fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.

Nach dem durch Staatspraxis und Regelungstradition seit nunmehr 150 Jahren geprägten Rechtsverständnis umfasst das bürgerliche Recht die Gesamtheit aller Normen, die herkömmlicherweise dem Zivilrecht zugerechnet werden. Entscheidend ist, ob durch eine Vorschrift Privatrechtsverhältnisse geregelt werden, also die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten und die sich aus ihnen ergebenden Rechte und Pflichten. Das Recht der Mietverhältnisse ist seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 in den §§ 535 ff. BGB geregelt und – ungeachtet zahlreicher Änderungen – ein essentieller Bestandteil des bürgerlichen Rechts. Das gilt auch für die Mietverhältnisse über Wohnungen (§ 549 BGB). Der Mietvertrag ist das Ergebnis privatautonomer Entscheidungen der Vertragsparteien. Das gilt selbst dann, wenn die privatautonom begründeten Rechte und Pflichten durch den Gesetzgeber näher ausgestaltet oder begrenzt werden.

4. Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts abschließend Gebrauch gemacht.

Schon Regelungsintensität und Regelungsdichte der bundesgesetzlichen Vorschriften legen nahe, dass es sich bei den §§ 556 ff. BGB um eine umfassende und abschließende Regelung handelt. Die §§ 556 ff. BGB enthalten zudem keine Regelungsvorbehalte, Öffnungsklauseln oder Ermächtigungsvorschriften, die den Ländern den Erlass eigener oder abweichender mietpreisrechtlicher Vorschriften ermöglichen würden. Das ausdifferenzierte Regelungssystem und der Zusammenhang mit dem Kündigungsschutzrecht machen vielmehr deutlich, dass der Bundesgesetzgeber eine abschließende Regelung treffen wollte. Das wird durch die in § 556d Abs. 2 BGB normierte Verordnungsermächtigung nicht in Frage gestellt. Die Länder führen insoweit lediglich eine Regelung aus, die der Bund ausweislich Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß inhaltlich weitgehend determiniert hat; eine eigenständige Regelungsbefugnis ist damit nicht verbunden.

Seit dem Mietrechtsreformgesetz vom 9. Juni 2001 hat der Bundesgesetzgeber – vom Bundesverfassungsgericht unbeanstandet – Regelungen der Miethöhe allein auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt. Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 wurde zudem die in den §§ 556d ff. BGB geregelte Mietpreisbremse erstmals in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Der Begründung des Gesetzentwurfs lässt sich eine umfassende Abwägung aller berührten Belange entnehmen, und damit das Ziel eines abschließenden Interessenausgleichs zwischen den Mietvertragsparteien, der in der Folgezeit mehrfach nachjustiert wurde: Das Mietrechtsanpassungsgesetz vom 18. Dezember 2018 sollte verhindern, dass Mieter ihre Wohnungen aufgrund von Modernisierungen verlassen müssen. Das Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete vom 21. Dezember 2019 intendierte eine moderate Modifikation der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB, namentlich die Verlängerung des Betrachtungszeitraums von vier auf sechs Jahre. Am 19. März 2020 beschloss der Bundestag schließlich das Gesetz zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn, mit dem den Ländern die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Mietpreisbremse für einen klar umrissenen Zeitraum weiter anzuwenden.
Spätestens mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz hat der Bund die Bemessung der höchstens zulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum abschließend geregelt. In den vergangenen sechs Jahren hat er mit den vier genannten, teils umfangreichen Gesetzen auf die sich verschärfende Wohnungssituation in den Ballungsgebieten reagiert und versucht, mit detaillierten Regelungen einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Interessen der Vermieter und der Mieter zu gewährleisten und hierdurch die Mietpreisentwicklung in angespannten Wohnungsmärkten zu dämpfen.

Da der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Kompetenz jedenfalls im Hinblick auf die Festlegung der höchstzulässigen Miete bei ungebundenem Wohnraum abschließend Gebrauch gemacht hat, sind die Länder von Regelungen der Miethöhe in diesem Bereich ausgeschlossen (Art. 72 Abs. 1 GG).

5. Der „Berliner Mietendeckel“ und die bundesgesetzliche Mietpreisbremse regeln im Wesentlichen denselben Gegenstand, nämlich den Schutz des Mieters vor überhöhten Mieten für ungebundenen Wohnraum.  Das MietenWoG Bln verengt dabei allerdings die durch die bundesrechtlichen Regelungen belassenen Spielräume der Parteien des Mietvertrags und führt ein paralleles Mietpreisrecht auf Landesebene mit statischen und marktunabhängigen Festlegungen ein; es statuiert gesetzliche Verbote im Sinne von § 134 BGB, die die Privatautonomie beim Abschluss von Mietverträgen über Wohnraum über das nach den §§ 556 ff. BGB erlaubte Maß hinaus begrenzen. Das MietenWoG Bln modifiziert somit die durch das Bundesrecht angeordneten Rechtsfolgen und verschiebt die von diesem vorgenommene Austarierung der beteiligten Interessen.

So verbietet § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 MietenWoG Bln die nach § 557 Abs. 1 BGB zulässige Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis beziehungsweise für Neuvermietungen. Durch § 3 Abs. 1 Satz 2 MietenWoG Bln sind die nach den §§ 557a, 557b BGB zulässigen Staffel- oder Indexmieten auf die zum Stichtag geschuldete Miete eingefroren. § 7 MietenWoG Bln reduziert die mieterhöhungsrelevanten Modernisierungsmaßnahmen auf einen Katalog, der enger ist als die Maßnahmen nach § 555b Nr. 1, Nr. 3 bis 6 BGB, und begrenzt die zulässige Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen stärker als § 559 Abs. 1 BGB. Der Anwendungsbereich der Mietpreisregulierung wird durch das MietenWoG Bln ausgeweitet, nach Bundesrecht zulässige Mieterhöhungen werden ebenso wie danach zulässige Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn verboten. So wird durch die Mietobergrenzen des § 6 Abs. 1 bis Abs. 3 MietenWoG Bln die Vereinbarung einer 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete betragenden Miete – auch in den Fällen des § 4 MietenWoG Bln – entgegen § 556d Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

Diese Beschränkungen des MietenWoG Bln treten neben das Regelungsregime der Mietpreisbremse gemäß §§ 556d ff. BGB. Da die §§ 556 ff. BGB die Miethöhe für ungebundenen Wohnraum jedoch abschließend regeln, fehlt dem Land Berlin insoweit die Gesetzgebungskompetenz.

Andere Kompetenztitel, namentlich Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“) oder Art. 70 Abs. 1 GG, scheiden als Grundlage für den Erlass des MietenWoG Bln aus. Insbesondere war die Regelung der höchstzulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum vom Kompetenztitel „Wohnungswesen“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG a. F. nicht (mehr) umfasst und konnte daher im Rahmen der Föderalismusreform I im Jahr 2006 nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder übergehen.
(PM Nr. 28/2021 v. 15.04.2021)

 

Mietpreisbremse: keine Geltung bei Modernisierung, wenn sie einem Neubau gleichkommt

10.02.2021  |  „Umfassende Modernisierung“ als Ausnahme von Mietpreisbremse - 2 Voraussetzungen: wesentlicher Baukostenaufwand und neubaugleiche Qualitätserhöhung - „fiktive Instandsetzungskosten“ sind abzuziehen.
(BGH, Urteil vom 11.11.2020 - VIII ZR 369/18) mehr

Der Bundesgerichtshof hat mit heute veröffentlichtem Urteil vom 11.11.2020 (VIII ZR 369/18) u. a. folgendes entschieden:

1. Eine Modernisierung von Wohnraum ist „umfassend“, wenn sie einen Umfang aufweist, der eine Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt erscheinen lässt. Dies ist dann der Fall, wenn die Modernisierung einerseits im Hinblick auf die hierfür angefallenen Kosten einen wesentlichen Bauaufwand erfordert und andererseits wegen der mit ihrem tatsächlichen Umfang einhergehenden qualitativen Auswirkungen zu einem Zustand der Wohnung führt, der demjenigen eines Neubaus in wesentlichen Teilen entspricht. Beide Prüfungskriterien sind dabei von grundsätzlich gleichem Gewicht.

2. Werden im Zuge der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen auch Erhaltungsmaßnahmen „miterledigt“, ist bei der erforderlichen Bestimmung des wesentlichen Bauaufwands ein (zeitanteiliger) Abzug der angefallenen Kosten insoweit vorzunehmen, als Bauteile oder Einrichtungen der Wohnung, die zwar noch nicht mangelhaft, aber bereits über einen erheblichen Anteil ihrer Lebensdauer (ab)genutzt sind, durch solche von besserer Qualität ersetzt werden (sog. modernisierende Instandsetzung).

Mit seinem heute veröffentlichen Urteil setzt der BGH seine Rechtsprechung zu Modernisierungskosten (Urteil vom 17.06.2020, Az. VIII ZR 81/19) fort und betont, dass für eine Ausnahme von den Beschränkungen der Mietpreisbremse ein strenger Maßstab anzulegen ist.

Der BGH setzt damit zugleich seine Rechtsprechung zu „fiktiven Instandhaltungskosten“ fort: Diese sind im Rahmen einer Modernisierungsmieterhöhung – entgegen der bis zu dem entsprechenden BGH-Urteil aus dem letzten Jahr (Urteil vom 17.06.2020 - VIII ZR 81/19) allgemeinen Ansicht – abzuziehen, auch wenn noch kein akuter Instandsetzungsbedarf für Bauteile, die im Rahmen einer Modernisierung erneuert bzw. ersetzt werden, besteht. Diese „fiktiv ersparten Instandsetzungskosten“ sollen ggf. vom Gericht geschätzt werden.

Der Vermieter muss sich also bei der Berechnung der Modernisierungsmieterhöhung hierzu Gedanken machen und möglichst auch konkrete Angaben liefern, z.B. Kostenangebote für eine reine Erneuerung solcher ersetzten Bauteile, von denen dann ein dem Alter und der üblichen Nutzungsdauer entsprechender Teilbetrag als „fiktive Instandsetzungskosten“ anzusetzen ist.

Die gleichen Maßstäbe sollen nach dem heute veröffentlichten Urteil also auch bei der Prüfung zu berücksichtigen sein, ob eine „umfassende Modernisierung“ vorliegt, die als Ausnahme von der Mietpreisbremse bei der Neuvermietung dazu berechtigt, die Miethöhe mehr oder weniger frei zu bestimmen.

Damit diese Ausnahme gegeben ist, müssen nach der Entscheidung 2 Voraussetzungen erfüllt sein:

Zum einen müssen die für die „umfassende Modernisierung“ aufgewendeten Kosten mindestens 1/3 der ortsüblichen Neubaukosten betragen. Diese ortsüblichen Neubaukosten (ohne anteilige Kosten für das Grundstück) sollen sich in Berlin aktuell wohl in einem Bereich etwa zwischen 1.500 und 2.000 €/m² bewegen, so dass mindestens ca. 500 – 666 €/m² aufgewendet werden müssen. Bei der Berechnung dieser Kosten sollen aber eben nur die „reinen“ Modernisierungskosten zu berücksichtigen sein; soweit im Rahmen der Arbeiten Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden, zählen die Kosten hierfür nicht dazu. Das gilt, wie oben dargestellt, auch dann sinngemäß, wenn ältere, noch gebrauchsfähige Bauteile ersetzt bzw. erneuert werden – hier sollen dann die „fiktiven Instandsetzungskosten“ abzuziehen sein.

Zum anderen müssen die durchgeführten Arbeiten auch qualitativ eine grundlegende Verbesserung der Wohnung bewirken. Dazu müssen in mehreren (aber nicht zwingend allen) wesentlichen Bereichen eine solche Verbesserung erfolgen, bezogen auf die Bereiche Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elektroinstallation und energetische Eigenschaften.

Damit ist es für den Vermieter zwar möglich, sich durch Modernisierungsmaßnahmen bei der Neuvermietung von den Beschränkungen durch die Mietpreisbremse zu befreien – die Anforderungen sind aber hoch. Erfüllt der Vermieter sie nicht (oder kann er dies nicht nachweisen), kann der Mieter ggf. eine Reduzierung der vereinbarten Miete auf die nach der Mietpreisbremse zulässige Höhe verlangen.

 

1-Zimmer-Wohnung: Untervermietung grundsätzlich möglich

14.01.2021  |  Anspruch auf Untervermietungserlaubnis auch dann, wenn nur Mitgewahrsam an der 1-Zimmer-Wohnung besteht - bei Unterrichtung über Person des Untermieters sind Umstände des Einzelfalls maßgeblich
(AG Berlin-Mitte, Urteil vom 26.11.2020 - 25 C 16/20) mehr

Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat mit jetzt bekannt gewordenem Urteil vm 26.11.2020 (25 C 16/20) folgendes entschieden:

Ein berechtigtes Interesse der Mietpartei im Sinne von § 553 Abs. 1 S. 1 BGB kann auch hinsichtlich einer Einzimmerwohnung vorliegen.
Die Frage, welche Informationen über die Person der Untermieterin oder des Untermieters eine Mietpartei gegenüber der Vermieterseite offenlegen muss, ist nicht generell zu beantworten, maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

Die Mieterin einer 1-Zimmerwohnung in der Schönhauser Allee in Berlin-Prenzlauer Berg hatte einen auf 1 Jahr befristeten Arbeitsvertrag für eine Stelle in Rom erhalten. In Rom mietete sie ein Zimmer innerhalb einer WG an. Ihre Berliner Wohnung wollte sie für die entsprechende Zeit an eine italienische Lehrerin möbliert untervermieten, um so ihre Kosten zu reduzieren. Sämtlicher Hausrat, Kochutensilien und Bekleidung der Mieterin sollten in ihrer Berliner Wohnung verbleiben; auch sollte sie einen Schlüssel für ihre Wohnung behalten sowie bei ihren Berlinbesuchen während des Jahres in Rom die Wohnung gemeinsam mit der Untermieterin nutzen. Sie bat ihre Vermieterin um eine befristete Untervermietungserlaubnis hierfür.

Die Vermieterin lehnte die Erteilung der Untervermietungserlaubnis ab. Dies begründete sie u.a. damit, dass die Mieterin weder ihren befristeten Arbeitsvertrag, noch den Untermietvertrag (mit den Angaben zur Höhe der Untermiete) und eine Kopie des Ausweises der gewünschten Untermieterin vorgelegt habe. Außerdem ist sie der Ansicht, dass die Untervermietung im Falle einer 1-Zimmerwohnung bereits grundsätzlich nicht möglich sei. Denn der Mieter dürfe auch im Falle einer Untervermietung den Gebrauch der Wohnung dem Untermieter nicht vollständig und allein überlassen, sondern müsse sich für einen bestimmten Teil der Wohnung die Gebrauchsmöglichkeit für sich vorbehalten; eine solche Beschränkung sei aber bei einer 1-Zimmerwohnung nicht möglich.

Die Mieterin klagt die ihr aufgrund der verweigerten Untervermietung entgangene Untermiete als Schadensersatz ein.

Das Amtsgericht Berlin-Mitte gibt der Klage (mit Ausnahme eines Teils der Verzugszinsen) in voller Höhe statt.

Ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung im Sinne von § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB habe unzweifelhaft vorgelegen, da die Mieterin für die Zeit einer befristeten Abwesenheit eine weitere Wohnung bzw. Zimmer anmieten musste, ihre Wohnung aber behalten und in diese zurückkehren wollte. Um sich von den somit berufsbedingt zusätzlich anfallenden Reise- und Wohnkosten entlastet zu werden, hat sie ein berechtigtes Interesse, diese Zusatzkosten durch Untermieteinnahmen zu kompensieren.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich vorliegend um eine 1-Zimmerwohnung handele. Was für qualitative und/oder quantitative Anforderungen an die dem Mieter verbleibende Nutzungsmöglichkeit verbleiben müsse, sei lange Zeit rechtlich umstritten gewesen. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei aber geklärt, dass in Anbetracht des mieterschützenden Zwecks des § 553 Abs. 1 BGB, dem Mieter seinen Wohnraum zu erhalten, ein großzügiger Maßstab anzulegen sei  (BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – VIII ZR 349/13 –, Rn. 30). Eine Anwendung des § 553 Abs. 1 BGB scheide demnach nur dann aus, wenn der Mieter die Sachherrschaft an der Wohnung zu Gunsten eines anderen vollständig und endgültig aufgebe. Die Anwendbarkeit sei aber gegeben, wenn der Mieter weiter einen Mitgewahrsam ausübe, etwa, indem er einen Wohnungsschlüssel behalte oder seine persönlichen Gegenstände in der Wohnung belasse. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt.

Entgegen der Ansicht der Vermieterin hätte es auch genügt, dass die Mieterin lediglich Namen, Geburtsdatum und Geburtsort der Untermieterin mitgeteilt, aber weder den Untermietvertrag, noch eine Ausweiskopie vorgelegt habe. Welche Angaben der Mieter zur Person des Untermieters mitteilen müsse, sei zwar juristisch umstritten. Abzustellen sei aber auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, da z.B. eine private Kleinvermieterin, die eine Einliegerwohnung in einem von ihr selbst bewohnten Einfamilienhaus ein anderes Informationsbedürfnis habe als eine juristische Person, die Vermieter eines oder mehrerer Mehrfamilienhäuser sei.

Die hier erteilten Informationen reichten aus, um der Vermieterin die Prüfung zu ermöglichen, ob Umstände in der Person der Untermieterin vorliegen, die einer Untervermietung entgegenstehen könnten. Dazu sei die Vorlage von Ausweispapieren nicht erforderlich; eine solche Pflicht ergebe sich auch nicht aus § 553 Abs. 1 BGB.

Auch habe nicht der Untermietvertrag vorgelegt werden müssen. Zwar könne dieser im Hinblick auf die Höhe der vereinbarten Untermiete von Interesse für den Vermieter sein; der Anspruch auf Erteilung der Untervermietungserlaubnis sei aber nicht an die Mitteilung oder gar den Nachweis der Höhe der Untermiete gekoppelt. Der Untermietvertrag selbst sei zum Zeitpunkt der Anfrage der entsprechenden Erlaubnis zudem auch im Regelfall noch gar nicht geschlossen, weil dies ja erst nach Erteilung der Erlaubnis geschehen solle; die Vorlage eines Entwurfs, der später noch beliebig geändert werden könne, sei aber für den Vermieter wertlos.

Indem die Vermieterin die Erteilung der Untervermietungserlaubnis demnach grundlos verweigert habe, habe sie eine mietvertragliche Pflichtverletzung begangen, die sie zum Schadensersatz, hier dem Ersatz der entgangenen Untermiete, verpflichte.
(https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/KORE238682020)

 

Erhebliche Mietrückstände - kein "Härteeinwand" möglich

24.07.2020  |  Besteht wegen erheblicher Mietrückstände ein Recht der fristlosen Kündigung, kann Mieter gegen ordentliche Kündigung nicht den Einwand unzumutbarer Härte erheben
(BGH, Urteil vom 01.07.2020 - VIII ZR 323/18) mehr

Der Bundesgerichtshof hat mit heute veröffentlichtem Urteil vom 01.07.2020 (VIII ZR 323/18) folgendes entschieden:

Hat ein Vermieter das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags wegen Zahlungsverzugs, führt auch ein Ausgleich des gesamten Mietrückstands innerhalb der Schonfrist nicht dazu, dass der Mieter gegen eine hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung den Einwand der unzumutbaren Härte erheben und eine Fortsetzung des Mietvertrags verlangen könnte.

Eine Mieterin bewohnte mit ihrem Lebensgefährten und zwei gemeinsamen Kindern eine Wohnung in Berlin-Charlottenburg. Ab 2013 zahlte sie die Miete nicht mehr vollständig, teilweise unter Hinweis auf angebliche Mietmängel. Als Anfang 2016 ein Rückstand von deutlich mehr als 2 Monatsmieten entstanden war, kündigte der Vermieter den Mietvertrag außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich. Wegen des Zahlungsrückstands erhob der Vermieter Klage; die Mieterin wurde im Juni 2017 zur Zahlung dieses Betrags verurteilt. Aufgrund dieses Zahlungsrückstands und weiterer laufender Rückstände hatte sich der Gesamtrückstand zum Juli 2017 auf mehr als 4 Monatsmieten erhöht. Daraufhin erhob der Vermieter im Juli 2017 Räumungsklage gegen die Mieterin. Mit der Klage wurde erneut die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung erklärt.

Noch innerhalb der Schonfrist von 2 Monaten gleich das Sozialamt für die Mieterin alle Mietrückstände aus, so dass die fristlose Kündigung unwirksam wurde. Die Mieterin wandte daraufhin gegen die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung ein, die Beendigung des Mietverhältnisses stelle im Hinblick auf die lange Wohndauer (über 13 Jahre), fehlenden Ersatzwohnraum sowie mit Rücksicht auf die bei beiden Kindern bestehenden Entwicklungsauffälligkeiten eine unzumutbare Härte dar.

Das Amtsgericht gab der Räumungsklage gegen die Mieterin statt. Hiergegen legte sie Berufung beim Landgericht Berlin ein. Das Landgericht änderte die Entscheidung und wies die Räumungsklage ab und sprach aus, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt würde. Zur Begründung führte es aus, dass die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung das Mietverhältnis zwar wirksam sei. Ein Räumungsanspruch sei aber nicht gegeben, weil sich das Mietverhältnis nach den §§ 574, 574a BGB infolge einer für die Mieterin nicht zu rechtfertigenden Härte auf unbestimmte Zeit verlängert habe. Die Mieterin habe schon im ersten Verhandlungstermin erklärt, aufgrund der besonderen familiären Situation nicht einfach aus der Wohnung ausziehen zu können. Dieses angesichts ihrer beengten finanziellen Verhältnisse nachvollziehbare Vorbringen sei nach § 574 Abs. 2 BGB grundsätzlich als Härteeinwand zu berücksichtigen und als Widerspruch gegen die Kündigung des Mietverhältnisses auszulegen, weshalb sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängere. Zwar schließe § 574 Abs. 1 Satz BGB einen Widerspruch gegen die Kündigung aus, wenn ein Grund für eine fristlose Kündigung des Mietvertrags vorliegt. Diese Regelung sei aber einschränkend dahingehend auszulegen, dass bei einer Schonfristzahlung (Ausgleich aller Mietrückstände vor Ablauf von 2 Monaten ab Zustellung der Räumungsklage) das Widerspruchsrecht des Mieters entstehe oder wieder auflebe.

Der BGH hebt diese Entscheidung auf und erklärt, dass diese Rechtsauffassung des Landgericht Berlin (ZK 64) nicht zutreffe.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts liege keine „Regelungslücke“ für den Fall einer Schonfristzahlung vor, da der Gesetzgeber auch die Möglichkeit, eine fristlose außerordentliche Kündigung hilfsweise mit einer ordentlichen Kündigung zu kombinieren, gesehen habe. Trotzdem hat er geregelt, dass eine Schonfristzahlung nur die Wirkung der außerordentlichen Kündigung entfallen lässt.

Angesichts des klaren Wortlauts des § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB bleibe es daher dabei, dass allein schon die Möglichkeit, ein Mietverhältnis außerordentlich zu kündigen, das Recht des Mieters, der Kündigung wegen Vorliegens einer unzumutbaren Härte zu widersprechen, ausschließt; dies gelte selbst dann, wenn der Vermieter von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, also von Anfang an das Mietverhältnis nur „ordentlich“ gekündigt hat.

 

Auch Landgericht Berlin: "Mietendeckel" ist verfassungswidrig

12.03.2020  |  Bundesverfassungsgericht soll über den Berliner "Mietendeckel" entscheiden - Land Berlin fehlt Gesetzgebungskompetenz - Landesgesetz verstößt gegen grundsätzliche Entscheidung des Bundes zur Mietenhöhe
(LG Berlin - 67 S 274/19) mehr

Das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 12.03.2020 (67 S 274/19) auf die Berufung der Mieter gegen ein Urteil des Amtsgerichts Spandau (5 C 304/19) folgendes entschieden:

Das Berufungsverfahren wird ausgesetzt und dem Bundesverfassungsericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das Gesetz wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin nichtig ist.

Die 67. Zivilkammer des Landgerichts Berlin erachtet die Vorschriften des am 23. Februar 2020 in Kraft getretenen sog. „Berliner Mietendeckels“ (Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln)) für verfassungswidrig und hat heute im Berufungsverfahren beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung vorzulegen.

In einem Mieterhöhungsklageverfahren hatte das Amtsgericht Spandau die beklagten Mieter zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung von 895,00 EUR auf 964,61 EUR mit Wirkung ab dem 1. Juni 2019 verurteilt.

Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung haben sich die Mieter unter anderem auf den im Verlaufe des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen „Berliner Mietendeckel“ berufen und geltend gemacht, der mit der klagenden Vermieterin geschlossene Mietvertrag unterfalle dem „Mietenstopp“ des Art. 1 § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln.

In ihrer Entscheidung vom heutigen Tage vertritt die 67. Zivilkammer des Landgerichts Berlin die Auffassung, dass die gesetzlichen Vorschriften des „Berliner Mietendeckels“ formell verfassungswidrig seien, da dem Land Berlin insoweit die Gesetzgebungskompetenz gefehlt habe. Aus diesem Grund erfolgt die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht.
Im Falle der Verfassungsgemäßheit des „Mietendeckels“, so die Kammer, könnten sich die Mieter auf den dort angeordneten „Mietenstopp“ berufen.Wegen der Einzelheiten wird auf den Gründe des anliegenden Beschlusses Bezug genommen.

Das Landgerichtericht führt unter anderem in der Entscheidung aus:

Stützen sich der Bund und ein Land im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung jeweils auf Kompetenzbestimmung des Grundgesetzes, so hat die Bundesgesetzgebung nach Maßgabe des Art. 72 Abs. 1 GG Vorrang. Den Ländern steht die Befugnis zur Gesetzgebung gem. Art. 72 Abs. 1 GG zu, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Andernfalls entfaltet das Bundesgesetz Sperrwirkung für die Länder. Diesen bleibt Raum für eine eigene Regelung nur, wenn und soweit die bundesrechtliche Regelung nicht erschöpfend ist. Wann eine bundesrechtliche Regelung als erschöpfend anzusehen ist, folgt aus einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes (st. Rspr. des BVerfG, vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 29. März 2000 - 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99, juris Tz. 83 ff.). Der Erlass eines Bundesgesetzes über einen bestimmten Gegenstand rechtfertigt für sich allein zwar noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von eigener Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können noch Bereiche übrig bleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen ist. Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist bzw. nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Gemessen an diesen Maßstäben sind Art. 1 § 3 MietenWoG Bln und das gesamte MietenWoG Bln formell verfassungswidrig. Der Bund hat in Ausfüllung der umfassend auch das Mietrecht für preisfreien Wohnraum umgreifenden Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 BGB das Recht zur Mieterhöhung und Mietpreisvereinbarung in den §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB abschließend geregelt. Diese Regelungen entfalten Sperrwirkung für jeden Landesgesetzgeber und damit auch für das Land Berlin.

Es tritt hinzu, dass das Land Berlin bei der Schaffung des MietenWoG Bln die Gebote bundesstaatlicher Rücksichtnahme und der Widerspruchsfreiheit von Bundes- und Landesrecht nicht beachtet hat. Sie setzen der Kompetenzausübung der Länder Schranken, indem sie es dem Landesgesetzgeber untersagen, konzeptionelle Entscheidungen des Bundesgesetzgebers durch eine auf einer landeseigenen Spezialkompetenz gründende Einzelentscheidung zu verfälschen.

Es ist untersagt, inhaltlich gegenläufige Regelungen an den Normadressaten zu richten, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96, BVerfGE 98, 265, juris Tz. 157). Genau diese - verfassungsrechtlich untersagte - Konfliktlage ist jedoch in Berlin seit Inkrafttreten des MietenWoG Bln verwirklicht:
Während der Bundesgesetzgeber die Erhöhung des Mietzinses bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558 Abs. 1 BGB gestattet, untersagt sie der Landesgesetzgeber in Art. 1 § 3 MietenWoG Bln unabhängig von der Höhe der ortsüblichen Miete, sofern die verlangte Miete die am 18. Juni 2019 wirksam vereinbarte Miete überschreitet.

Schließlich eröffnet auch Art. 28 VvB (Verfassung von Berlin), der als Staatszielbestimmung ein „Recht auf Wohnraum“ statuiert, keine Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für die im MietenWoG Bln geregelte Materie. Die gegenteilige Auffassung (Mayer/Artz, a.a.O., 30), ausweislich derer „der Wertung von Art. 28 VvB bei der Auslegung der bundesrechtlichen Kompetenzreichweite Rechnung zu tragen“ sei, da dies „das Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes gebiete“, entbehrt der verfassungsrechtlichen Grundlage.

Denn die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich gemäß Art. 70 Abs. 2 GG ausschließlich nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung und nicht nach den jeweiligen - und insoweit vollständig unerheblichen - Landesverfassungen sowie den darin getroffenen Staatszielbestimmungen (vgl. Herrlein/Tuschl, a.a.O., 230; Papier, a.a.O., 14; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576).
(PM 14/2020)

 

Amtsgericht Charlottenburg: "Mietendeckel" verfassungswidrig

04.03.2020  |  Mieterhöhungsverlangen begründet – sog. Berliner "Mietendeckel" greift nicht – Gesetz zu unbestimmt – Rückwirkung verfassungswidrig – bundesrechtliche Mietvorschriften „brechen“ Regelungen des Landes Berlin – Mietpreisstop verletzt Grundrechte des Eigentümers
(AG Charlottenburg, Berlin, Urteil vom 04.03.2020 - 213 C 136/19) mehr

Das Amtsgericht Charlottenburg (Berlin) hat mit Urteil vom 04.03.2020 (213 C 136/19) u.a. folgendes entschieden:

Die Verpflichtung zur Zustimmung zur Mieterhöhung wird nicht durch das MietenWoG Berlin (sog. „Mietendeckel“) ausgeschlossen. Das Gesetz ist nach seinem Wortlaut bereits zu unbestimmt; ferner ist die dort vorgesehene Rückwirkung verfassungswidrig; weiterhin fehlt dem Land Berlin hier, was gleichfalls dem Grundgesetz zuwider läuft, die Gesetzgebungskompetenz; und schließlich verstößt der im Gesetz vorgesehene Mietpreisstop gegen das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Grundrecht des Eigentums.

Die Klage der Wohnungseigentümerin gegen den beklagten Wohnungsmieter auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete mit Wirkung ab dem 01.09.2019 verlangen.

1.
Nach § 558 BGB kann der Vermieter Zustimmung zur Mieterhöhung verlangen, wenn die Miete – abgesehen von Veränderungen wegen Modernisierung, Betriebes- oder Kapitalkosten – seit 15 Monaten unverändert ist (Wartefrist), das Mieterhöhungsverlangen frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht wird (Sperrfrist), die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten und die zum Zeitpunkt des Zugangs des Erhöhungsverlangens geltende Kappungsgrenze eingehalten wird. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

2.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist, was umfassend in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, die Verpflichtung zur Zustimmung zur Mieterhöhung nicht durch das MietenWoG Berlin (sog. „Mietendeckel“) ausgeschlossen.

a)
Das hier streitgegenständliche Erhöhungsverlangen wurde bereits vor dem Inkrafttreten des MietenWoG Berlin gestellt. Hierdurch wurde ein Zustimmungsanspruch zu einer Erhöhung der Miete begründet, der bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entstanden und fällig war. Das Gesetz selbst (mit Ausnahme von § 5, vgl. Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung) ist erst ab dem 23. Februar 2020 in Kraft getreten und kann damit bereits vor seinem Inkrafttreten entstandene Ansprüche nicht ausschließen.

Hieran vermag auch der in § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlin benannte Stichtag (18. Juni 2019) nichts zu ändern. Denn dieser regelt bereits seinem Wortlaut nach – wenn überhaupt – allenfalls die Frage, welcher Tag als Bemessungsgrundlage für eine zukünftig (also gerade nach Erlass des Gesetzes) noch zulässige maximale Miethöhe heranzuziehen sein soll. Hiervon geht offenbar nunmehr auch der Gesetzgeber aus, der insoweit ausführt: Die Vorschrift „regelt nicht das Verbot, bereits ab dem Stichtag eine höhere Miete als die Stichtagsmiete zu verlangen. Ein solches Verbot gilt, da im Gesetz nichts anderes geregelt ist, erst ab Inkrafttreten des Gesetzes.“ (vgl. Seite 6 des beschlossenen Änderungsantrags der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21. Januar 2020 zur Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung – Drucksache 18/2347).

b)
Unabhängig von vorgenannten Erwägungen ist der Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung ohnehin weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund des MietenWoG Berlin ausgeschlossen. Dazu im Einzelnen:

aa)
Ein Verbot zur Erhöhung der Miete ergibt sich außerhalb der zuvor erörterten Frage einer etwaigen Rückwirkung nicht unmittelbar aus § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlin. Nach dieser Regelung „ist eine Miete verboten, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet“. Dieser öffentlich-rechtlichen Regelung kommt allerdings im zivilrechtlichen Verhältnis zwischen Privaten (also zwischen den Mietvertragsparteien) keine unmittelbare Wirkung zu. Hiervon geht bereits der Gesetzgeber selbst aus, der insoweit ausführt, dass „das MietenWoG Bln nicht unmittelbar (aus)gestaltend in bestehende oder nach Inkrafttreten des Gesetzes abzuschließende Vertragsverhältnisse ein(greift), deren Zustandekommen und Inhalt sich vielmehr allein nach den Bestimmungen des BGB richtet“ (vgl. Seite 5 des beschlossenen Änderungsantrags der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21. Januar 2020 zur Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung – Drucksache 18/2347). Es handele sich insoweit um unterschiedliche – so wörtlich der Änderungsantrag – „Rechtsregime“ (a.a.O., Seite 4).

bb)
Unabhängig hiervon würde auch aus der vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung für eine vermeintlich mittelbare zivilrechtliche Wirkung herangezogenen Regelung des § 134 BGB (vgl. Seite 25 DR 18/2347 des Abgeordnetenhauses Seite 5 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21. Januar 2020 zur Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung – Drucksache 18/2347) nichts anderes folgen, da die Voraussetzungen des § 134 BGB nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Der Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung nach § 558 BGB selbst ist aber bereits kein Rechtsgeschäft im Sinne des § 134 BGB, sondern vielmehr ein gesetzlicher Anspruch. Die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB kann schon alleine aus diesem Grund nicht eingreifen.

Diese Frage kann indes dahingestellt bleiben, da der Wortlaut des § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlin (einer „verbotenen“ Miete) so unbestimmt gefasst ist, dass Mieterhöhungsverlangen hierunter nicht subsumiert werden können. Was eine „verbotene“ Miete ist, erschließt sich nicht. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, diesen Begriff in § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlin näher zu konkretisieren und etwa das Einfordern von Miete, das Verlangen auf Erhöhung der Miete, das Vereinbaren einer erhöhten Miete oder die gerichtliche Geltendmachung von Miete zu verbieten. Dies erscheint insoweit auch bewusst geschehen zu sein, da ein solches Verbot dem „Rechtsregime“ (vgl. Seite 4 des beschlossenen Änderungsantrags der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21. Januar 2020 zur Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung – Drucksache 18/2347) des bürgerlichen Rechts unterfallen würde, wofür der Landesgesetzgeber, was ihm bewusst war, keine Regelungskompetenz hat. Mit dieser offenen, unbestimmten Formulierung des Gesetzes darf das Gericht der Norm aber auch keine Rechtsfolge beimessen, die nicht ausdrücklich oder zumindest dem Wortlaut nach hinreichend erkennbar unter Inanspruchnahme der dem Landesgesetzgeber zustehenden Gesetzgebungskompetenz geregelt wurde.

Unklar bleibt auch, ob damit der gesetzliche Anspruch selbst verboten werden sollte. Dagegen spricht allerdings ebenfalls, dass der Gesetzgeber selbst von unterschiedlichen „Rechtsregimen“ ausgeht. Der Gesetzgeber führt insoweit selbst aus, dass die Preisobergrenzen „unabhängig von der Existenz eines nach den Regeln des Zivilrechts begründeten Mietverhältnisses bestehen“ (a.a.O.). Damit kann der Gesetzgeber aber nicht ein Verbot des gesetzlichen Anspruchs auf Miete aus § 535 Abs. 2 BGB und eines gesetzlichen Anspruchs auf Zustimmung zur Mieterhöhung nach §§ 558 ff. BGB begründen. Jedenfalls folgt aus den unterschiedlichen „Rechtsregimen“ (a.a.O.), dass sich auch aus dem Gesetz selbst, dem § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlin, „ein anderes“ als die Nichtigkeit i.S.v. § 134 BGB ergibt.

Etwas anderes folgt insoweit auch nicht aus § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG Berlin. Insoweit fehlt es am zusätzlichen Erfordernis des Ausnutzens des einseitigen Verstoßes des Vermieters durch den Mieter zu dessen eigenem Vorteil, denn die Zustimmung zur Mieterhöhung – m.a.W. die (Selbst-)Verpflichtung zur Zahlung eines höheren monatlichen Mietzinses – ist für den Mieter unzweifelhaft nachteilig.

c)
Ist aber bereits aus den vorgenannten Erwägungen ein unmittelbarer wie mittelbarer Einfluss des § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlin auf zivilrechtliche Mieterhöhungsverlangen nicht gegeben und beschränkt sich damit dessen Regelungsbereich (allenfalls) auf das öffentliche (Ordnungswidrigkeiten-)Recht, kommt der Frage einer verfassungskonformen Auslegung nur noch bestätigende Wirkung zu.

Eine solche Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Verfassung bestätigt auch das hier gefundene Ergebnis:

aa)
Zum einen kann das am 13. Juni 2020 gestellte Mieterhöhungsverlangen nicht rückwirkend aufgrund der Stichtagsregelung durch das MietenWoG Berlin erfasst sein. Jede andere als die hier gefundene Auslegung des § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlin würde andernfalls zu einem unmittelbaren Verfassungsverstoß führen. Denn der Gesetzgeber hat mit § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG Berlin ein „Fordern“ von Miete unter Strafe (Ordnungswidrigkeit) gestellt, welche die am „18. Juni 2019 (Stichtag)“ vereinbarte Miete überschreitet. Wollte man unter diese Vorschrift auch das hier streitige Mieterhöhungsverlangen nach § 558 BGB subsumieren, so würde es zu einem unmittelbaren Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG kommen. Nach dieser Regelung darf eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dieses (auch für Ordnungswidrigkeiten geltende verfassungsrechtliche Verbot einer rückwirkenden Bestrafung aus Art. 103 Abs. 2 GG stellt sich aber als absolutes und striktes Verbot dar (vgl. dazu nur: BVerfG, Beschl. v. 24. Okt. 1996 – 2 BvR 1851/94, NJW 1997, 929) und ist (anders als das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete allgemeine Rückwirkungsverbot) schrankenlos und keiner Abwägung zugänglich.

Denn liegt ein Mieterhöhungsverlangen zeitlich nach dem „Stichtag“ und tritt dessen Anspruchswirkung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ein, so würde dies, wollte man ein Mieterhöhungsverlangen rückwirkend bezogen auf den Stichtag erfassen, zu einer rückwirkenden Strafbarkeit des Verlangens als Tat des Vermieters führen. Nichts anderes würde gelten, wenn – wie in zahlreichen beim Amtsgericht Charlottenburg anhängigen Rechtsstreitigkeiten – statthaft (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 25. Sept. 2013 – VIII ZR 280/12, juris) vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgte Mieterhöhungsverlangen erst etwa im September 2020 und damit nach Inkrafttreten des Gesetzes überhaupt Wirkung entfalten sollen.

bb)
Zum anderen können bürgerlich-rechtliche Mieterhöhungsverlangen zulässigerweise nicht durch das MietenWoG Berlin erfasst sein.

Dies erschließt sich bereits aus Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht“), der eine Verdrängung oder einen völligen Ausschluss des Anwendungsbereiches einer bundesgesetzlichen Regelung durch eine landesgesetzliche Regelung verbietet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Regelung des Art. 31 GG als Anwendungsvorrang der bundesrechtlichen Regelung oder als Geltungsvorrang und damit Verlust der Wirksamkeit der landesrechtlichen Norm kraft der verfassungsrechtlichen Regelung des Art. 31 GG anzusehen wäre.

Dabei ist auch völlig unerheblich, ob, wovon aber die Begründung des Gesetzesentwurfs ausgeht, dem Landesgesetzgeber überhaupt eine Kompetenz zur Regelung der Materie zusteht. Denn diesen Kompetenzkonflikt löst gerade Art. 31 GG mit Vorrang für die bundesgesetzliche Regelung auf. Ausschließlich im Bereich des Art. 72 Abs. 3 GG kann unter Umständen – ausnahmsweise – der Kompetenzkonflikt zu Lasten der bundesgesetzlichen Regelung entschieden werden. Die Regelung des Art. 72 Abs. 3 GG betrifft aber nicht den hier allein in Betracht kommenden Gegenstand des „Wohnungswesens“.

Damit wäre aber auch von Verfassung wegen den Regelungen der §§ 558 ff. BGB der ausschließliche Vorrang einzuräumen. Denn wenn nach §§ 558 ff. BGB eine Mieterhöhung bundesrechtlich gestattet ist, geht diese Gestattung wegen Art. 31 GG einem etwaigen landesrechtlichen Verbot einer Mieterhöhung vor: Können die sich in ihrem Regelungsbereich überschneidenden Normen bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen, bricht Bundesrecht jeder Rangordnung eine landesrechtliche Regelung selbst dann, wenn sie Bestandteil des Landesverfassungsrechts wäre (BVerfG, Beschl. v. 15. Okt. 1997 – 2 BvN 1/95, NJW 1998, 1296, 1298). So läge der Fall hier, wollte man das MietenWoG Berlin entgegen der Auffassung des Gerichts als Verbot von Mieterhöhungen auslegen.

Abgesehen hiervon würde auch jede andere Auslegung des MietenWoG Berlin als hier aus einem weiteren Grund zu einem Verfassungsverstoß führen. So heißt es bereits in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. März 1980 (1 BvR 759/77, NJW 1980, 1617, 1618):

„Eine Handhabung der Verfahrensregeln, die praktisch zu einem Mietpreisstop und einer Beseitigung des gesetzlichen Anspruchs auf die Vergleichsmiete führt, steht - wie in diesen Entscheidungen klargestellt worden ist - nicht nur im Widerspruch zum Gesetz, sie verletzt auch das Grundrecht des Art. 14 I 1 GG.“

Nichts anderes kann insoweit für die Auslegung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften (MietenWoG Berlin) außerhalb des Verfahrensrechts gelten.

 
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