Urheber- und Medienrecht
Verstoß gegen DSGVO: Meta hat unbefugt personenbezogene Daten der Nutzer erhoben
07.04.2025 | Rechtsgrundlage für Datenerhebung fehlte - Meta ist zur Auskunft und Löschung von Daten sowie zum Schadensersatz verpflichtet worden
(LG Berlin II, Urteile vom 04.04.2025 - 39 O 56/24 u.a.)
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Das Landgericht Berlin II hat mit heute veröffentlichten Urteilen vom 04.04.2025 (39 O 56/24, 39 O 67/24, 39 O 57/24, 39 O 97/24, 39 O 218/24, 39 O 184/24) Folgendes entschieden:
Meta ist unter anderem zur Auskunft über und Anonymisierung bzw. Löschung der über die Meta Business Tools erhobenen personenbezogenen Daten der Kläger verpflichtet.
Meta hat ihnen zudem Schadensersatz in Höhe von jeweils 2.000 € zu zahlen.
Die Kläger*innen machen jeweils geltend, dass die Beklagte alle digitalen Bewegungen auf Webseiten und mobilen Apps sämtlicher Nutzer*innen von Facebook und Instagram auslese und aufzeichne, wenn die Dritt-Webseiten und Apps die Meta Business Tools installiert haben. Die Meta Business Tools erlauben die so gesammelten Daten mit einem einmal angelegten Nutzerkonto zu verbinden und so ein Profil über Personen anzulegen, das etwa ihre politische und religiöse Einstellung, ihre sexuelle Orientierung oder etwa Erkrankungen erfassen kann. So könnten z. B. Informationen über Bestellungen bei Apotheken, Angaben zu problematischem Suchtverhalten oder bei dem Wahl-O-Mat ausgelesen werden. Es sei unklar, mit wem die Beklagte die so erstellten Profile teile.
Der Einsatz der Meta Business Tools auf Webseiten und Apps ist dabei nur eingeschränkt erkennbar. Schätzungen gehen davon aus, dass diese bei mindestens 30 bis 40 Prozent der Webseiten weltweit und auf der überwiegenden Mehrzahl der meistbesuchten 100 Webseiten in Deutschland zum Einsatz kommen. Dies erfolge nicht nur ohne, sondern auch gegen den ausdrücklichen Willen der Nutzer*innen.
Die Beklagte wendet dagegen ein, die Drittunternehmen seien für die Installation und Nutzung der Business Tools und somit für die Offenlegung der Daten verantwortlich. Sie selbst nehme eine Datenverarbeitung jedenfalls zur Bereitstellung personalisierter Werbung nur vor, wenn die Nutzer*innen ausdrücklich hierin einwilligen. Anderenfalls würden übermittelte Daten nur für begrenzte Zwecke, wie Sicherheits- und Integritätszwecke, genutzt.
In der mündlichen Verhandlung wies das Gericht darauf hin, dass den Kläger*innen der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zustehe, da die Beklagte die über die Meta Business Tools erhaltenen personenbezogenen Daten der Kläger*innen zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen verarbeitet und gespeichert habe.
Der Löschungs- bzw. Anonymisierungsanspruch bestehe nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO, da für die Datenverarbeitung keine Rechtsgrundlage bestehe. Hierfür lägen keine Einwilligungen der Kläger*innen vor.
Wegen der Verstöße gegen die DSGVO stünden den Kläger*innen zudem Ansprüche auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO zu. Für die weiteren Einzelheiten müssen die schriftlichen Urteilsgründe abgewartet werden.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Es kann dagegen Berufung beim Kammergericht innerhalb eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe eingelegt werden.
(PM 14/2025 v. 07.04.2025)
Rechtsverletzende Posts: Provider ist verpflichtet, auch "sinngleiche" Inhalte zu löschen
04.03.2025 | Prüfungs- und Löschungspflicht des Hostproviders entsteht auch ohne Hinweise, wenn gleiche Aussageinhalte gepostet werden - auch wenn sie anders gestaltet sind
(OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 04.03.2025 - 16 W 10/25)
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Das Oberlandesgericht Frankfurt/M. hat mit Beschluss vom 04.03.2025 (16 W 10/25) Folgendes entschieden:
Ein Hostprovider - hier Meta - muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen etwa sog. Captions, welche den Aussagegehalt nicht verändern.
Dies entschied das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Beschluss in Fortführung der Senatsrechtsprechung zum sog. „Künast-Meme“ und unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Digital Services Act.
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u.a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbungs-Videos hin, in denen er vermeintlich u.a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger.
In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls - erst - nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen.
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte nun teilweise Erfolg.
Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied der für Presserecht zuständige 16. Zivilsenat. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben.
Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck der Senatsmitglieder wirkten die Videos - bei voneinander abweichender Überschrift - nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor.
Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(PM Nr. 14/2025 v. 11.03.2025)
Vorsicht mit Emojis im Rechtsverkehr: Risiko des Missverständnisses
11.11.2024 | WhatsApp-Nachricht mit mehreren Emojis: zwar grundsätzlich als Willenserklärung geeignet, aber es kommt auf Kontext und Rechtsbindungswillen an - im Zweifelsfall nur Ausdruck einer Stimmung
(OLG München, Urteil vom 11.11.2024 – 19 U 200/24 e)
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Das Oberlandesgericht München hat mit Urteil vom 11.11.2024 (19 U 200/24 e) Folgendes entschieden:
1) Willenserklärungen können sowohl ausdrücklich – mündlich oder in schriftlicher Form – als auch konkludent – d.h. durch schlüssiges Verhalten – erfolgen. Bei Nachrichten, die per Messengerdienst gesendet werden, handelt es sich um elektronisch übermittelte Willenserklärungen. Der Erklärende kann seinen Willen mittels Zeichen kundtun, d.h. auch durch digitale Piktogramme – wie Emojis.
2) In dieser Funktion erfüllen Emojis im digitalen Diskurs ähnliche Funktionen wie Intonation, Gestik, Mimik und andere körpersprachliche Elemente in realen Gesprächen. Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, ist eine Frage der Auslegung.
3) Emojis bergen somit die Gefahr von Missverständnissen und Fehlschlüssen, weil die konkret verwendeten Symbole möglicherweise auf einem spezifischen „Emoji-Soziolekt“ beruhen, der bloß innerhalb einer bestimmten Gruppe existiert. Es ist – ebenso wie sonst – zu fragen, wie ein verständiger Empfänger der Nachricht die Willenserklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Zur Bestimmung des Bedeutungsgehalts von Emojis kann der Rechtsanwender gegebenenfalls Emoji-Lexika zurate ziehen.
4) Die Verwendung des "Grimassen schneidendes Gesicht“-Emoji in einer WhatsApp-Nachricht des Käufers eines Ferrari ist nicht als Zustimmung zur Aussage des Verkäufers in der Nachricht zuvor zu werten „Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022.“
1. Sachverhalt
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Neuwagenkauf eines Pkw nach beiderseitigen Rücktritten vom Kaufvertrag. Der Kläger begehrt mittels der Klage die Rückzahlung der von ihm geleisteten Vorschusszahlung. Der Beklagte betreibt einen Pkw-Handel.
Die Parteien vereinbarten am 19.11.2020 eine „Verbindliche Bestellung eines Neufahrzeugs“ (im Folgenden: Kaufvertrag) hinsichtlich eines Pkw, Marke Ferrari, Typ SF90 Stradale (im Folgenden: Pkw). Im Kaufvertrag war unter anderem Folgendes aufgeführt:
„Liefertermin: 2./3. Quartal 2021 (unverbindlich)(…)
Bei einem unverbindlich vereinbarten Liefertermin kann der Käufer den Verkäufer zur Lieferung erst anmahnen, wenn der unverbindliche Liefertermin um zwei Quartale überschritten ist.“
Schließlich vereinbarten die Parteien:
„Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“
Die im Kaufvertrag vereinbarte Anzahlung von 50.000 € zuzüglich Mehrwertsteuer, mithin 59.500 €, zahlte der Kläger unbestritten im Jahr 2020.
Die Parteien führten in der Folge eine umfangreiche Konversation mittels Textnachrichten über den Instant-Messaging-Dienst WhatsApp.
So schrieb der Beklagte am 23.09.2021 an den Kläger:
„Hallo Herr A…,Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022. Das konnten wir nicht absehen und können wir nicht beeinflussen.Immerhin ist der dann zur nächsten Saison da. Viele Grüße, … P"
Hierauf antwortete der Kläger: „Ups #" und "Grimassen schneidendes Gesicht“-Emoji und ergänzte Trotzdem danke für die Info. Gibt’s irgendwas schriftliches? Wenigstens eine Bestätigung der Order.“
Der Beklagte schrieb daraufhin an den Kläger: „Verstehe Ihr Anliegen, kümmer mich drum.“
Am 28.09.2021 schickte der Kläger an den Beklagten folgende Textnachricht: „Wir haben das Auto konfiguriert. Da muss es irgendwas schriftliches von Ferrari geben.“
Hierauf übersandte der Beklagte am 29.09.2021 eine Datei namens „AB SF90 Stradale … A….pdf“ und schrieb dazu: „Hallo Herr A…, hier sehen Sie, Ihre Ausstattung wurde eingepflegt. Ihr Wagen ist fest bestellt, da kann nichts mehr aus. Bitte mit Diskretion behandeln. Vielen Dank.“
Daraufhin schickte der Kläger folgenden Emoji:„Daumen-hoch"-Emoji
Am 27.01.2022 sandte der Kläger eine WhatsApp-Nachricht mit dem Inhalt: „Erstes Halbjahr hat angefangen. schon ein Lebenszeichen von Ferrari wann mit dem Auto zu rechnen ist?“ und ein „Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“-Emoji.
Am 20.04.2022 schrieb der Beklagte per Textnachricht: „Abwicklung könnte in der Woche ab 9.5. stattfinden. Würde das Ihrerseits passen?“
Der Kläger antwortete in gleicher Weise: „Passt.“
Am 09.05.2022 teilte der Beklagte dem Kläger per WhatsApp mit: "also Ferrari hat wohl fehlerhafte HOCHVOLT Batterien – das Fahrzeug darf so nicht ausgeliefert werden, wir bekommen (stand heute) wohl Ersatz, erst nach Austausch können wir ausliefern, wann der Ersatz kommt kann noch nicht gesagt werden, Sie arbeiten aber mit Hochdruck dran“
Mit Schreiben vom 10.05.2022 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten: „… gemäß unserem Vertrag sollte das Fahrzeug im II./III. Quartal geliefert werden. Mit einer für Sie günstigen Auslegung sind Sie seit 31.03.2022 im Verzug. Ich setze Ihnen für die Lieferung des Fahrzeugs eine letzte Frist bis zum 24.05.2022. Danach behalte ich mir frei vom Kaufvertrag zurückzutreten, meine Anzahlung zurückzufordern, (…).“
Im klägerischen Schreiben vom 16.05.2022 wurde ausgeführt: „… anbei übersenden wir Ihnen nochmal unser letztes Schreiben vom 10.05.2022. wir haben die Lieferfrist entgegen unserer ersten Abmahnung auf den 31.05.2022 gesetzt.“
Mittels Schreiben vom 22.05.2022 wies der Beklagte die Fristsetzung zurück.
Mit Schreiben vom 01.06.2022 (klägerisches Anlagenkonvolut) erklärte der Kläger: „… da das Fahrzeug auch in der letzten Fristsetzung nicht geliefert wurde, treten wir vom Vertrag zurück.Unsere Anzahlung (…) erbitten wir (…) auf folgendes Konto:(…)“
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten forderte den Kläger mittels Schriftsatz vom 22.07.2022 an die Klägervertreter auf, den „vereinbarten Kaufpreis“ von 617.917,02 € Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw bis 05.08.2022 zu bezahlen. Der klägerische Rücktritt sei unwirksam gewesen.
Mit Anwaltsschreiben vom 23.09.2022 verlangte der Beklagtenvertreter „letztmalig“ bis zum 30.09.2022 die Zahlung des „vereinbarten Kaufpreis(es)“ von – nunmehr nur noch – 526.713,04 € Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw. Mit Schreiben vom 05.10.2022 erklärte der Beklagte seinerseits gegenüber dem Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, u.a. die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 11.01.2024 eingelegte und mit Schriftsatz vom 21.02.2024 begründete Berufung des Klägers.
2. Urteilsgründe
Die Klage ist weit überwiegend begründet.
Der Kläger hat aufgrund seines wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag eine Forderung gegen den Beklagten auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 59.500 € gemäß § 346 Abs. 1 BGB.
Mit Schreiben vom 01.06.2022 hat der Kläger wirksam sein Rücktrittsrecht nach § 349 BGB ausgeübt.
Aus dem Chatverlauf der Parteien lässt sich – entgegen der Ansicht des Beklagten – keine einvernehmliche Lieferfristverlängerung bis 30.06.2022 erblicken.
So ist bereits umstritten, ob WhatsApp-Mitteilungen bei rechtsgeschäftlich vereinbarter Schriftform – wie hier – die Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 S. 1 BGB erfüllen.
Danach genügt zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung.
Das gilt für alle Arten der Telekommunikation mittels technischer Telekommunikationsanlagen i.S.v. § 3 Nr. 22, 23 TKG in der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung bzw. § 3 Nr. 59, 60 TKG in der seit dem 01.12.2021 geltenden Fassung, soweit durch diese in Schriftzeichen lesbare verkörperte Erklärungen übersandt werden, die Übermittlung also nicht in der Form von Sprache erfolgt. Der Begriff der telekommunikativen Übermittlung ist nicht auf bestimmte Medien verengt, vielmehr bewusst entwicklungsoffen.
Es reicht eine wechselseitige elektronische bzw. digitale Datenübermittlung, die dabei verwendeten Medien können unterschiedliche sein.
Der Text muss so zugehen, dass er dauerhaft aufbewahrt werden oder der Empfänger einen Ausdruck anfertigen kann.
Die Dauerhaftigkeit und Reproduzierbarkeit sind bei WhatsApp-Nachrichten oder -Attachments in der vorgeschilderten Form gegeben. Dazu ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Chatverlauf bei Whats-App – soweit diese Funktion nicht ausgeschaltet ist – regelmäßig per Backup in der Cloud gesichert wird, also dauerhaft gespeichert wird. Zum anderen ist zu sehen, dass – abgesehen von der nur kurzzeitig für ein eng begrenztes Zeitfenster nach dem Versand für den Absender eröffneten Option „Für alle löschen“ – Nachrichten den Empfängern nicht mehr „entrissen“ werden können. Die Reproduktion ist sowohl physisch durch (screenshot- oder exportbasierten) Ausdruck möglich als auch digital durch Weiterleiten der Nachricht.
Das Zustandekommen einer den ursprünglichen Kaufvertrag hinsichtlich des Liefertermins und der unechten Nachfrist abändernden Abrede zwischen den Parteien setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen in Gestalt von Antrag (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB) voraus.
Willenserklärungen können sowohl ausdrücklich – mündlich oder in schriftlicher Form – als auch konkludent – d.h. durch schlüssiges Verhalten – erfolgen. Bei Nachrichten, die per Messenger-dienst gesendet werden, handelt es sich um elektronisch übermittelte Willenserklärungen. Auch elektronische Erklärungen sind echte Willenserklärungen. Diese unterliegen den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre.
Der Erklärende kann seinen Willen mittels Zeichen kundtun, d.h. auch durch digitale Piktogramme – wie Emojis. Diese werden häufig genutzt, um eine Aussage zu unterstreichen oder zu verstärken oder sollen klarstellen, in welchem Sinne etwas zu verstehen ist (z.B. ironisch). In dieser Funktion erfüllen Emojis im digitalen Diskurs ähnliche Funktionen wie Intonation, Gestik, Mimik und andere körpersprachliche Elemente in realen Gesprächen. Teilweise werden aber auch Worte innerhalb eines Satzes durch ein Emoji ersetzt. Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, ist eine Frage der Auslegung.
Emojis besitzen als Zeichen Interpretationsmöglichkeiten, die heranzuziehen sind; dabei spielen allerdings nur solche eine Rolle, die der Empfänger auch verstehen konnte. Umstände, die dem Erklärungsempfänger weder bekannt noch erkennbar waren, bleiben außer Betracht. Faktoren wie Nationalität und Muttersprache, kultureller Hintergrund sowie Alter, Geschlecht oder Persönlichkeitsstruktur können sowohl die Nutzung als auch das Verständnis von Emojis beeinflussen, wobei sich besonders deutliche Einschnitte zwischen den Altersgruppen ergeben. Emojis bergen somit die Gefahr von Missverständnissen und Fehlschlüssen, weil die konkret verwendeten Symbole möglicherweise auf einem spezifischen „Emoji-Soziolekt“ beruhen, der bloß innerhalb einer bestimmten Gruppe existiert.
Eingedenk des Vorstehenden ist die Verwendung des „Grimassen schneidendes Gesicht“-Emoji in der WhatsApp-Nachricht des Klägers vom 23.09.2021 nicht als Zustimmung zur Aussage des Beklagten in der Nachricht zuvor zu werten „Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022.“
Ausgehend von seiner in den gebräuchlichen Emoji-Lexika Emojipedia (https://emojipedia.org/de/grimassen-schneidendes-gesicht [abgerufen: 11.11.2024]) und Emojiterra (https://emojiterra.com/de/grimassen-schneidender-smiley [abgerufen: 11.11.2024]) angegebenen Bedeutung stellt der sog. „Grimassen schneidendes Gesicht“-Emoji (Unicode: U+1F62C) grundsätzlich negative oder gespannte Emotionen dar, besonders Nervosität, Verlegenheit, Unbehagen oder Peinlichkeit. Dass die Parteien des Rechtsstreits – individuell oder aus Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – diesem eine davon abweichende Bedeutung beimaßen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Zudem ist der spezifische Kontext zu berücksichtigen, in dem der Emoji verwendet wurde. Der daneben vom Kläger verwendete Ausdruck „Ups“ ist allenfalls als Ausruf der Überraschung oder des Erstaunens zu werten, keinesfalls ist damit eine zustimmende Aussage verbunden. Die folgende Aussage des Klägers ändert daran nichts mehr.
Die Verwendung des "Daumen-hoch"-Emojis in der Nachricht vom 29.09.2021 durch den Kläger hat ebenso nicht diesen, ihm vom Beklagten zugemessenen Bedeutungsinhalt. Zwar signalisiert der sog. „Daumen hoch“-Emoji (Unicode: U+1F44D) – was dem Beklagten zuzugeben ist – laut der oben angegebenen Emoji-Lexika und in Übereistimmung mit dem überwiegenden Verständnis dieser Geste bei physischer Verwendung regelmäßig Zustimmung, Einverständnis oder Anerkennung. Die Nachricht bezog sich aber ersichtlich nicht mehr auf die erste Nachricht des Beklagten vom 23.09.2021, sondern die dazwischen geführte Konversation der Parteien am 28. und 29.09.2021 und diese drehte sich um die Umstände der Verbindlichkeit der Bestellung des Pkw und dessen Konfiguration – und in keiner Weise den Liefertermin.
Selbst die klägerische WhatsApp-Nachricht vom 27.01.2022 unter Verwendung des „Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“-Emoji ist nicht im vom Beklagten gewünschten Sinne auszulegen. Der sog. „Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“-Emoji (Unicode: U+1F604) hat in der Regel schon keine eindeutige Bedeutung. Er vermittelt laut Emoji-Lexika oftmals allgemeine Freude, Glücksgefühle, eine warme, positive Stimmung oder gutmütige Belustigung, kann aber auch Stolz oder Aufregung vermitteln.
Außerdem ist er vorliegend eingebettet in folgende Nachricht:
„Erstes Halbjahr hat angefangen. („Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“-Emoji) schon ein Lebenszeichen von Ferrari wann mit dem Auto zu rechnen ist?“
Dass dadurch zum Ausdruck kommen soll, dass der Kläger nunmehr mit einer Verlängerung der Lieferfrist für den Pkw bis zum 30.06.2022 sein Einverständnis zum Ausdruck gebracht habe, ergibt sich aus nichts. Allenfalls kann darin der Ausdruck einer unspezifischen Vorfreude oder Hoffnung, keinesfalls auch nur ein Erklärungsbewusstsein des Klägers erkannt werden.
Damit war die unechte Nachfrist am 31.03.2022 abgelaufen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass eine ordnungsgemäße Leistungserbringung durch den Beklagten zum Zeitpunkt der Nachfristsetzung überhaupt nicht absehbar war. So schrieb der Beklagte noch am 09.05.2022 per WhatsApp-Nachricht, dass das Fahrzeug aufgrund einer fehlerhaft verbauten Hochvolt-Batterie „fehlerhaft“ sei und so „nicht ausgeliefert werden dürfe“. Wann ein Ersatz komme, könne „nicht gesagt werden“.
Darauf, ob die Nichtleistung auf einem Verschulden des Beklagten beruht oder nicht, kommt es nicht an.
Foto-Tapete auf Facebook veröffentlicht: Keine Urheberrechtsverletzung
11.09.2024 | Fotograf hat keinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn eine Foto-Tapete mit Motiven von ihm im Internet wiedergegeben wird – er muss mit Veröffentlichung rechnen
(BGH, Urteil vom 11.09.2024 – I ZR 139/23 u.a.)
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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteilen vom 11.09.2024 (I ZR 139/23; I ZR 140/23; I ZR 141/23) Folgendes entschieden:
Die Nutzung von Abbildungen einer Foto-Tapete im Internet verletzt nicht die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte an den auf der Tapete abgedruckten Fotogra-fien.
Sachverhalt:
1.
Die Klägerin ist ein von einem Berufsfotografen gegründetes Unternehmen, das von dem Fotografen angefertigte Lichtbilder als Fototapeten vermarktet.
Die Beklagte im Verfahren I ZR 139/23 erwarb über eine Internetseite eine Fototapete, auf der eine Fotografie abgedruckt ist, an der die Klägerin Rechte beansprucht. Die Beklagte ließ die Tapete an einer Wand in ihrem Haus anbringen. Die Tapete war in mehreren Videobeiträgen auf ihrem Facebook-Auftritt im Hintergrund zu sehen.
Die Beklagte im Verfahren I ZR 140/23 betreibt eine Web- und Medienagentur. Sie stellte ein Bildschirmfoto der von ihr gestalteten Internetseite eines Tenniscenters auf ihrer eigenen Internetseite ein. Auf dem Bildschirmfoto ist der Gastraum des Tenniscenters mit einer Fototapete zu sehen, an deren Bildmotiv die Klägerin die Urheberrechte beansprucht.
Der Beklagte im Verfahren I ZR 141/23 verwendete eine Fototapete mit einem Bildmotiv, an dem die Klägerin Rechte beansprucht, als Wandtapete in einem Zimmer des von ihm betriebenen Hotels. Die Wandtapete ist auf einem Foto erkennbar, mit dem der Beklagte seine Dienstleistungen im Internet bewarb.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Abbildungen der Fototapeten auf Fotos und Videos im Internet verletze die ihr vom Fotografen eingeräumten Nutzungsrechte an den auf den Tapeten abgedruckten Fotografien. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten sowie im Verfahren I ZR 141/23 zu-sätzlich auf Auskunft über den Umfang der Verwendung der Fotografie in Anspruch genommen.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die Berufungen der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben. Mit den vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
2.
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:
Die Revisionen der Klägerin hatten keinen Erfolg.
Die auf § 97 Abs. 1 und 2 UrhG, § 97a Abs. 3 UrhG sowie § 242 BGB gestützten Ansprüche auf Schadensersatz, Erstattung der Abmahnkosten und Auskunftserteilung sind unbegründet, weil der durch die Beklagten jeweils vorgenommene Eingriff in das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - aufgrund einer konkludenten Einwilligung des Urhebers gerechtfertigt war.
Ob ein Verhalten des Berechtigten als schlichte Einwilligung in den Eingriff in ein durch das Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht anzusehen ist, hängt von dem objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers ab. Dabei ist maßgeblich, ob es um nach den Umständen übliche Nutzungshandlungen geht, mit denen der Berechtigte rechnen muss, wenn er sein Werk Nutzern ohne Einschränkungen frei zugänglich macht.
Das Berufungsgericht ist in allen Verfahren in rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung und im Einklang mit der Lebenserfahrung davon ausgegangen, dass die Vervielfältigung durch Anfertigung von Fotografien und Videoaufnahmen in mit Fototapeten dekorierten Räumen sowie das Einstellen dieser Fotografien und Videos im Internet - sowohl zu privaten als auch zu gewerblichen Zwecken - üblich ist und damit im für den Urheber vorhersehbaren Rahmen der vertragsgemäßen Verwendung der Fototapeten lag. Dem Urheber steht es frei, im Rahmen des Vertriebs vertraglich Einschränkungen der Nut-zung zu vereinbaren und auf solche Einschränkungen - etwa durch das Anbringen einer Urheberbezeichnung oder eines Rechtsvorbehalts - auch für Dritte erkennbar hinzuweisen. Daran fehlte es in den Streitfällen.
Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass sich auch die im Verfahren I ZR 140/23 in Anspruch genommene Web- und Medienagentur auf eine wirksame konkludente Einwilligung berufen konnte. Die Wirksamkeit einer Einwilligung setzt nicht voraus, dass sie gegenüber demjenigen erklärt wird, der in Urheberrechte eingreift. Ausreichend ist ein Verhalten des Berechtigten, dem aus der Sicht eines objektiven Dritten die Bedeutung zukommt, dass der Berechtigte den Eingriff in seinen Rechtskreis gestattet. Nicht nur die Käufer von ohne Einschränkungen veräußerten Fototapeten, die ihre Räumlichkeiten damit dekorieren, Fotografien und Videoaufnahmen dieser Räume fertigen und diese im Internet einstellen, können sich auf eine konkludente Einwilligung des Urhebers in die dabei erfolgende Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der für die Fototapete verwendeten Fotografie berufen. Vielmehr können sich auch Dritte auf eine konkludente Einwilligung des Fotografen stützen, wenn ihre Nutzungshandlungen aus objektiver Sicht als üblich anzusehen sind.
Der Bundesgerichtshof hat außerdem die in allen Verfahren getroffene Annahme des Berufungsgerichts gebilligt, dass Ansprüche wegen Verletzung des Urheberbenennungsrechts gemäß § 13 Satz 2 UrhG nicht bestehen, weil der Urheber im Rahmen des Vertriebs der Fototapeten auf dieses Recht durch schlüssiges Verhalten verzichtet hat.
(PM 179/2024 v. 11.09.2024)
Geflügel-"Big Mac": McDonald's verliert Schutz für diese Marke
05.06.2024 | McDonald’s kann keinen Nachweis mehr erbringen, dass es die Marke "Big Mac" für seine Geflügel-Burger überhaupt noch nennenswert nutzt
(EuGH, Urteil vom 05.06.2024 - T-58/23)
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Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 05.06.2024 (T-58/23, Supermac’s/EUIPO – McDonald’s International Property) Folgendes entschieden:
McDonald’s hat für bestimmte Waren und Dienstleistungen keine ernsthafte Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nachgewiesen;im Einzelnen hat McDonald’s keinen Nachweis dafür erbracht hat, dass die angefochtene Marke für die Waren „Hühnchensandwiches“, die Waren „Speisen aus Geflügelprodukten“ und Dienstleistungen, „die im Zusammenhang mit dem Betrieb und dem Franchising von Restaurants und anderen Unternehmen und Einrichtungen, die Speisen und Getränke für den direkten Verzehr und für Drive-Through-Einrichtungen bereitstellen, erbracht werden oder damit im Zusammenhang stehen; Zubereitung von Speisen zum Mitnehmen“, ernsthaft benutzt worden ist.
Supermac's und McDonald's, eine irische und eine amerikanische Schnellrestaurantkette, führen einen Rechtsstreit über die Unionsmarke Big Mac. Diese Marke wurde im Jahr 1996 zugunsten von McDonald’s eingetragen.
Im Jahr 2017 stellte Supermac's einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der Marke für bestimmte Waren und Dienstleistungen. Die Marke sei nämlich für diese Waren und Dienstleistungen in der Union während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden.
Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) hat diesem Antrag teilweise stattgegeben. Allerdings hat es den McDonald's von der angefochtenen Marke gewährten Schutz u. a. für Speisen aus Fleisch- und Geflügelprodukten und für Fleisch- und Hühnchensandwiches sowie für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb und dem Franchising von Restaurants und anderen Unternehmen und Einrichtungen, die Speisen und Getränke für den direkten Verzehr und für Drive-Through-Einrichtungen bereitstellen, erbracht werden oder damit im Zusammenhang stehen und für die Zubereitung von Speisen zum Mitnehmen bestätigt.
Mit seinem Urteil hebt das Gericht die Entscheidung des EUIPO auf und ändert sie teilweise ab, indem es den McDonald’s von der angefochtenen Marke gewährten Schutz weiter einschränkt.
Es stellt fest, dass McDonald’s keinen Nachweis dafür erbracht hat, dass die angefochtene Marke für die Waren „Hühnchensandwiches“, die Waren „Speisen aus Geflügelprodukten“ und Dienstleistungen, „die im Zusammenhang mit dem Betrieb und dem Franchising von Restaurants und anderen Unternehmen und Einrichtungen, die Speisen und Getränke für den direkten Verzehr und für Drive-Through-Einrichtungen bereitstellen, erbracht werden oder damit im
Zusammenhang stehen; Zubereitung von Speisen zum Mitnehmen“ ernsthaft benutzt worden ist.
Die von McDonald’s vorgelegten Beweise enthalten keine Angaben zum Umfang der Benutzung der Marke für diese Waren, insbesondere was die Verkaufsmengen, die Dauer des Zeitraums der Benutzungshandlungen und deren Häufigkeit betrifft. Daher lassen die vom EUIPO berücksichtigten Beweise die Feststellung einer ernsthaften Benutzung der angefochtenen Marke für diese Waren nicht zu. Darüber hinaus kann mit den von McDonald’s vorgelegten Beweisen nicht nachgewiesen werden, dass die angefochtene Marke für „Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb und dem Franchising von Restaurants und anderen Unternehmen und Einrichtungen, die Speisen und Getränke für den direkten Verzehr und für Drive-Through-Einrichtungen bereitstellen, erbracht werden oder damit im Zusammenhang stehen; Zubereitung von Speisen zum Mitnehmen“ benutzt wurde.
(PM 92/24 v. 05.06.2024)
Versteigerung von User-Daten für Werbezwecke: betroffener Web-Nutzer muss erst zustimmen
07.03.2024 | Vor Daten-Auktion muss der Benutzer der jeweiligen Website Einwilligung zur Verarbeitung seiner Daten erteilt haben - er kann Verarbeitung auch widersprechen
(EuGH, Urteil vom 07.03.2024 - C-604/22 / IAB Europe)
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Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 07.03.2024 (C-604/22 / IAB Europe) Folgendes entschieden:
Wenn ein Nutzer eine Website oder eine Anwendung mit einem Werbeplatz aufruft, können Werbeunternehmen, Datenbroker und Werbeplattformen, die Tausende von Werbetreibenden vertreten, anonym in Echtzeit Gebote
abgeben, um diesen Werbeplatz zu erhalten und dort auf das Profil des Nutzers abgestimmte Werbung anzuzeigen (Real Time Bidding).
Bevor jedoch eine solche gezielte Werbung angezeigt wird, muss die vorherige Einwilligung des Nutzers zur Erhebung und Verarbeitung seiner Daten (insbesondere seinen Standort, sein Alter, den Verlauf seiner Suchanfragen und seine zuletzt getätigten Einkäufe betreffend) für bestimmte Zwecke, wie u. a. Marketing oder Werbung, oder zum Austausch dieser Daten mit bestimmten Anbietern eingeholt werden. Der Nutzer kann dem auch widersprechen.
AB Europe ist ein Verband ohne Gewinnerzielungsabsicht mit Sitz in Belgien, der Unternehmen der digitalen Werbe- und Marketingindustrie auf europäischer Ebene vertritt. IAB Europe hat eine Lösung entwickelt, die dieses Versteigerungssystem mit der DSGVO in Einklang bringen können soll. Die Nutzerpräferenzen werden in einem aus einer Kombination von Buchstaben und Zeichen bestehenden String kodiert und gespeichert, der als „Transparency and Consent String“ (TC-String) bezeichnet wird und der mit Brokern für personenbezogene Daten und Werbeplattformen geteilt wird, damit diese wissen, worin der Nutzer eingewilligt oder wogegen er Widerspruch gelegt hat. Auf dem Gerät des Nutzers wird auch ein Cookie gespeichert. Miteinander kombiniert, können der TC-String und das Cookie der IP-Adresse dieses Nutzers zugeordnet werden.
Im Jahr 2022 stellte die belgische Datenschutzbehörde fest, dass der TC-String ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO darstelle und dass IAB Europe als Verantwortlicher aufgetreten sei, ohne die Vorschriften der DSGVO vollständig einzuhalten. Die Behörde verhängte gegen IAB Europe mehrere Abhilfemaßnahmen sowie eine
Geldbuße.
IAB Europe focht diese Entscheidung an und wandte sich an den Appellationshof Brüssel, der dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.
Mit seinem Urteil bestätigt der EuGH, dass der TC-String Informationen über einen identifizierbaren Nutzer enthält und somit ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO darstellt. Anhand der in einem TC-String enthaltenen Informationen kann nämlich, wenn sie einer Kennung wie insbesondere der IP-Adresse des Geräts des Nutzers zugeordnet werden, ein Profil dieses Nutzers erstellt und die betreffende Person identifiziert werden.
Darüber hinaus ist IAB Europe als „gemeinsam Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO anzusehen. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen scheint diese Organisation nämlich bei der Speicherung der Einwilligungspräferenzen der Nutzer in einem TC-String auf die Verarbeitungen personenbezogener Daten Einfluss zu nehmen und gemeinsam mit ihren Mitgliedern sowohl die Zwecke dieser Verarbeitungen als auch die ihnen zugrunde liegenden Mittel festzulegen. Allerdings kann, unbeschadet einer etwaigen im nationalen Recht vorgesehenen zivilrechtlichen Haftung, IAB Europe für Datenverarbeitungen, die nach der Speicherung der Einwilligungspräferenzen der Nutzer in einem TC-String erfolgen, nur dann als im Sinne der DSGVO verantwortlich angesehen werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass dieser Verband Einfluss auf die Festlegung der Zwecke und Modalitäten dieser Weiterverarbeitungen ausgeübt hat.
(PM Nr. 44/24 v. 07.03.2024)
Datenschutz-Verstoß: Geldbuße nur bei schuldhaftem Verhalten der Verantwortlichen
(EuGH, Urteile vom 05.12.2023 - C-683/21 , C-807/21) mehr
Der Gerichtshof präzisiert die Voraussetzungen, unter denen die nationalen Aufsichtsbehörden eine Geldbuße gegen einen oder mehrere für die Datenverarbeitung Verantwortliche wegen Verstoßes gegen die DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) verhängen können. Insbesondere stellt er fest, dass die Verhängung einer solchennGeldbuße ein schuldhaftes Verhalten voraussetzt, der Verstoß also vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein muss. Gehört der Adressat der Geldbuße zu einem Konzern, ist bei der Berechnung der Geldbuße auf den Umsatz des Konzerns abzustellen.
Ein litauisches und ein deutsches Gericht haben den Gerichtshof ersucht, die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auszulegen, und zwar im Hinblick auf die Möglichkeit nationaler Aufsichtsbehörden, Verstöße gegen diesenVerordnung durch Verhängung einer Geldbuße gegen den für die Datenverarbeitung Verantwortlichen zu ahnden.
Im litauischen Fall wendet sich das Nationale Zentrum für öffentliche Gesundheit beim Gesundheitsministerium gegen eine Geldbuße in Höhe von 12 000 Euro, die ihm im Zusammenhang mit der Entwicklung (mit Unterstützung durch ein privates Unternehmen) einer mobilen Anwendung auferlegt wurde, die der Erfassung und Überwachung der Daten der dem Covid-19-Virus ausgesetzten Personen dienen sollte.
Im deutschen Fall wendet sich das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen, das mittelbar rund 163 000 Wohneinheiten und 3 000 Gewerbeeinheiten hält, u. a. gegen eine Geldbuße von über 14 Mio. Euro, die ihmnauferlegt wurde, weil es personenbezogene Daten von Mietern länger als erforderlich speicherte.
Der Gerichtshof entscheidet, dass gegen einen für die Datenverarbeitung Verantwortlichen nur dann eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen die DSGVO verhängt werden kann, wenn dieser Verstoß schuldhaft – also vorsätzlich oder fahrlässig – begangen wurde. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Verantwortliche über die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren sein konnte, gleichviel, ob ihm dabei bewusst war, dass es gegen die Bestimmungen der DSGVO verstößt.
Handelt es sich bei dem Verantwortlichen um eine juristische Person, ist es nicht erforderlich, dass der Verstoß von ihrem Leitungsorgan begangen wurde oder dieses Organ Kenntnis davon hatte. Vielmehr haftet eine juristische Person sowohl für Verstöße, die von ihren Vertretern, Leitungspersonen oder Geschäftsführern begangen werden, als auch für Verstöße, die von jeder sonstigen Person begangen werden, die im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit in ihrem Namen handelt. Die Verhängung einer Geldbuße gegen eine juristische Person als Verantwortliche darf nicht der Voraussetzung unterliegen, dass zuvor festgestellt wurde, dass der Verstoß von einer identifizierten natürlichen Person begangen wurde.
Außerdem kann gegen einen Verantwortlichen eine Geldbuße auch für Verarbeitungsvorgänge verhängt werden, die von einem Auftragsverarbeiter durchgeführt wurden, sofern diese Vorgänge dem Verantwortlichen zugerechnet werden können.
Zur gemeinsamen Verantwortlichkeit von zwei oder mehr Einrichtungen führt der Gerichtshof aus, dass diese sich allein daraus ergibt, dass die Einrichtungen an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung mitgewirkt haben. Die Einstufung als „gemeinsam Verantwortliche“ setzt keine förmliche Vereinbarung zwischen den betreffenden Einrichtungen voraus. Eine gemeinsame Entscheidung oder übereinstimmende Entscheidungen reichen aus. Handelt es sich jedoch tatsächlich um gemeinsam Verantwortliche, müssen diese in einer Vereinbarung ihre jeweiligen Pflichten festlegen.
Schließlich muss sich die Aufsichtsbehörde bei der Bemessung der Geldbuße, wenn der Adressat ein Unternehmen ist oder zu einem Unternehmen gehört, auf den wettbewerbsrechtlichen Begriff „Unternehmen“ stützen. Der Höchstbetrag der Geldbuße ist daher auf der Grundlage eines Prozentsatzes des gesamtenJahresumsatzes zu berechnen, den das betreffende Unternehmen als Ganzes im vorangegangenen Geschäftsjahr weltweit erzielt hat.
(PM Nr. 184/23 v. 05.12.2023)
Heimliches Foto vom Klassenlehrer in sozialen Medien verbreitet: Verletzung des Persönlichkeitsrechts
11.08.2023 | Schüler hatte im Unterricht den Lehrer ohne Einwilligung fotografiert und Bild im Netz geteilt - schriftlicher Verweis gegen ihn durch die Schule und Eintrag im Zeugnis sind rechtmäßig
(VG Berlin, Urteil vom 21.07.2023 - VG 3 K 211/22)
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit heute veröffentlichtem Urteil vom 21.07.2023 ( VG 3 K 211/22) entschieden, dass einem Schüler, der während der Unterrichtszeit von seinem Lehrer ohne dessen Einverständnis Fotos machte und diese versendete, zurecht ein schriftlicher Verweis erteilt worden ist.
Der Achtklässler fotografierte seinen Klassenlehrer – nach seinen Angaben aus Langeweile – heimlich während des Unterrichts mit seinem Tablet und versendete die Fotos an eine unbekannte dritte Person. Die Bilder wurden sodann über Nachrichtendienste in der Schülerschaft der Schule digital weiterverbreitet.
Eine einberufene Klassenkonferenz unter Leitung des Klassenlehrers beschloss einstimmig, dem Schüler einen schriftlichen Verweis zu erteilen, und mehrheitlich, den Verweis auf dem Schuljahreszeugnis einzutragen. Der Widerspruch des Schülers gegen den Verweis blieb ohne Erfolg.
Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die daraufhin eingereichte Klage des Schülers abgewiesen. Der schriftliche Verweis habe als schulische Ordnungsmaßnahme keinen Strafcharakter, sondern sei eine pädagogische Maßnahme, die neben der Erziehung des betroffenen Schülers vornehmlich der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Schule, insbesondere des Schulunterrichts, diene. Voraussetzung seien objektive Pflichtverletzungen des betreffenden Schülers.
Bei der Verhängung einer Ordnungsmaßnahme komme der Schule ein pädagogischer Beurteilungsspielraum zu, der nur sehr begrenzt einer gerichtlichen Kontrolle unterliege, insbesondere dahingehend, ob der Sachverhalt zutreffend ermittelt worden sei, die Maßnahme willkürfrei sei und die Grenzen der Verhältnismäßigkeit wahre. Dies sei hier gegeben. Der Schüler habe eingeräumt, die Fotos vom Klassenlehrer ohne dessen Einverständnis angefertigt und versendet zu haben. Damit habe er gegen die Hausordnung der Schule verstoßen, den Unterrichtsablauf gestört sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Lehrers verletzt.
Der schriftliche Verweis sei als mildeste Ordnungsmaßnahme angesichts der viralen Verbreitung der Fotos in der Schule, der damit verbundenen Nachahmungsgefahr und des uneinsichtigen Verhaltens des Schülers verhältnismäßig. Der Schule stehe es frei, sich wegen desselben Vorfalls ggf. sowohl erzieherischer Maßnahmen – etwa in Form eines erzieherischen Gesprächs mit dem Schüler – als auch förmlicher Maßnahmen – wie hier dem Verweis – zu bedienen. Auch die Eintragung des Verweises auf dem Zeugnis sei vor dem Hintergrund der Pflichtverletzung des Schülers, der durch das Versenden der ungenehmigten Fotos erst das Risiko ihrer Verbreitung geschaffen habe, nicht zu beanstanden, zumal es sich nicht um ein Abschlusszeugnis handle.
Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.
(PM 33/2023 v. 11.08.2023)
Kein Schadensersatz bei bloßem Verstoß gegen DSGVO
04.05.2023 | Anspruch auf Schadensersatz bei Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung setzt voraus, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist und dieser ursächlich aus den Verstoß resultiert
(EuGH, Urteil vom 04.05.2023 - C-300/21, Österreichische Post)
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Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 04.05.2023 (C-300/21) Folgendes entschieden:
Der bloße Verstoß gegen die DSGVO begründet keinen Schadenersatzanspruch. Der Schadenersatzanspruch hängt jedoch nicht davon ab, dass der entstandene immaterielle Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreicht.
Ab dem Jahr 2017 sammelte die Österreichische Post Informationen über die politischen Affinitäten der österreichischen Bevölkerung. Mit Hilfe eines Algorithmus definierte sie anhand sozialer und demografischer Merkmale "Zielgruppenadressen“. Aus den so gesammelten Daten leitete die Österreichische Post ab, dass ein bestimmter Bürger eine hohe Affinität zu einer bestimmten österreichischen politischen Partei habe. Die verarbeiteten Daten wurden jedoch nicht an Dritte übermittelt.
Der betroffene Bürger, der der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht zugestimmt hatte, behauptet, er habe dadurch, dass ihm eine besondere Affinität zu der fraglichen Partei zugeschrieben worden sei, großes Ärgernis und einen Vertrauensverlust sowie ein Gefühl der Bloßstellung verspürt. Als Ersatz des ihm angeblich entstandenen immateriellen Schadens begehrt er vor den österreichischen Gerichten die Zahlung von 1 000 Euro.
Der österreichische Oberste Gerichtshof äußerte Zweifel in Bezug auf den Schadensersatzanspruch, den die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für den Fall vorsieht, dass wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Dieses Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob der bloße Verstoß gegen die DSGVO ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen, und ob für den Ersatz der entstandene immaterielle Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreichen muss. Des Weiteren möchte es wissen, welche unionsrechtlichen Vorgaben für die Festsetzung der Höhe des Schadenersatzes bestehen.
In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof als Erstes fest, dass der in der DSGVO vorgesehene Schadenersatzanspruch eindeutig an drei kumulative Voraussetzungen geknüpft ist: einen Verstoß gegen die DSGVO, einen materiellen oder immateriellen Schaden, der aus diesem Verstoß resultiert, und einen Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß. Demnach eröffnet nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO für sich genommen den Schadenersatzanspruch. Eine andere Auslegung liefe dem klaren Wortlaut der DSGVO zuwider. Zudem führt nach dem Wortlaut der Erwägungsgründe der DSGVO, die speziell den Schadenersatzanspruch betreffen, ein Verstoß gegen die DSGVO nicht zwangsläufig zu einem Schaden und muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem fraglichen Verstoß und dem entstandenen Schaden bestehen, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Somit unterscheidet sich die Schadenersatzklage von anderen in der DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfen – insbesondere von jenen, die die Verhängung von Geldbußen erlauben –, für die das Vorliegen eines individuellen Schadens nicht nachgewiesen werden muss.
Als Zweites stellt der Gerichtshof fest, dass der Schadenersatzanspruch nicht auf immaterielle Schäden beschränkt ist, die eine gewisse Erheblichkeit erreichen. In der DSGVO wird ein solches Erfordernis nicht erwähnt, und eine solche Beschränkung stünde zu dem vom Unionsgesetzgeber gewählten weiten Verständnis des Begriffs „Schaden“ im Widerspruch. Würde der Ersatz eines immateriellen Schadens von einer Erheblichkeitsschwelle abhängig gemacht, könnte dies zudem die Kohärenz der mit der DSGVO eingeführten Regelung beeinträchtigen. Die graduelle Abstufung, von der die Möglichkeit, Schadenersatz zu erhalten, abhinge, könnte nämlich je nach Beurteilung durch die angerufenen Gerichte unterschiedlich hoch ausfallen.
Als Drittes und Letztes stellt der Gerichtshof zu den Regeln für die Bemessung des Schadenersatzes fest, dass die DSGVO keine Bestimmung enthält, die sich diesen Regeln widmet. Daher sind die Ausgestaltung von Klageverfahren, die den Schutz der dem Einzelnen insoweit aus der DSGVO erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, und insbesondere die Festlegung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des in diesem Rahmen geschuldeten Schadenersatzes Aufgabe des Rechts des einzelnen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind. In diesem Zusammenhang betont der Gerichtshof die Ausgleichsfunktion des in der DSGVO vorgesehenen Schadenersatzanspruchs und weist darauf hin, dass dieses Instrument einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden sicherstellen soll.
EuGH zum Datenschutz: Sehr weitgehend, aber nicht grenzenlos
12.01.2023 | Auskunft über Weitergabe personenbezogener Daten: Umfang stark eingeschränkt, wenn das Verlangen exzessiv ist
(EuGH, Urteil vom 12.01.2023 - C-154/21)
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Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 12.01.2023 (C-154/21) Folgendes entschieden:
Jeder hat das Recht zu erfahren, an wen seine personenbezogenen Daten weitergegeben wurden.
Der für die Datenverarbeitung Verantwortliche kann sich jedoch darauf beschränken, nur die Empfängerkategorien mitzuteilen, wenn es nicht möglich ist, die Empfänger zu identifizieren, oder wenn der Antrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist.
Ein Bürger beantragte bei der Österreichischen Post, der größten Anbieterin von Post- und Logistikdiensten in Österreich, ihm mitzuteilen, gegenüber welchen Empfängern sie seine personenbezogenen Daten offengelegt habe. Er stützte sich auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese sieht vor, dass eine betroffene Person dasRecht hat, von dem Verantwortlichen Informationen über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern zuerhalten, gegenüber denen ihre personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden.
Bei der Beantwortung der Anfrage des Bürgers beschränkte sich die Österreichische Post auf die Mitteilung, sie verwende personenbezogene Daten, soweit das rechtlich zulässig sei, im Rahmen ihrer Tätigkeit als Herausgeberin von Telefonbüchern und biete diese Daten Geschäftskunden für Marketingzwecke an.
Der Bürger erhob daraufhin gegen die Österreichische Post Klage vor den österreichischen Gerichten.
Im Lauf des gerichtlichen Verfahrens teilte die Österreichische Post dem Bürger weiter mit, seine Daten seien an Kunden weitergegeben worden, zu denen werbetreibende Unternehmen im Versandhandel und stationären Handel, IT-Unternehmen, Adressverlage und Vereine wie Spendenorganisationen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder politische Parteien gehört hätten.
Der Oberste Gerichtshof (Österreich), bei dem der Rechtsstreit in letzter Instanz anhängig ist, möchte wissen, ob die DSGVO es dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen freistellt, ob er der betroffenen Person die konkrete Identität der Empfänger oder nur die Kategorien von Empfängern mitteilt, oder ob die betroffene Person gemäß der DSGVO das Recht hat, die konkrete Identität dieser Empfänger zu erfahren.
Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass der Verantwortliche, wenn personenbezogene Daten gegenüber Empfängern offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, verpflichtet ist, der betroffenen Person auf Anfrage die Identität der Empfänger mitzuteilen.
Nur wenn es (noch) nicht möglich ist, diese Empfänger zu identifizieren, kann sich der Verantwortliche darauf beschränken, lediglich die Kategorien der betreffenden Empfänger mitzuteilen.
Dies ist ebenfalls der Fall, wenn der Verantwortliche nachweist, dass der Antrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass dieses Auskunftsrecht der betroffenen Person erforderlich ist, um es ihr zu ermöglichen, die anderen Rechte auszuüben, die ihr gemäß der DSGVO zukommen, nämlich das Recht auf Berichtigung, das Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“), das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung, das Recht auf Widerspruch gegen die Verarbeitung oder auch das Recht auf einen Rechtsbehelf im Schadensfall.
(PM 4/23 v. 12.01.2023)
Euro-Banknoten: Abbildung des europäischen Kontinents nicht vergütungspflichtig
25.05.2022 | Urheber des "Euro-Satellitenbildes" wollte eine Nutzungsvergütung von 5,5 Mio EUR - aber eigenschöpferische Merkmale sind "verblasst" - Banknoten stellen neu geschaffenes Werk dar
(LG Frankfurt/M., Urteil vom 18.05.2022 - 2-06 O 52/21)
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Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit heute veröffentlichtem Urteil vom 18.05.2022 (2-06 O 52/21) Folgendes entschieden:
Der Urheber des Bildes von Europa, das auf allen Euro-Banknoten in abgewandelter Form verwendet wird, kann keine Vergütung für die Nutzung verlangen.
Der Kläger ist Geograf und Karthograph. Er hatte eine Abbildung des europäischen Kontinents erstellt und dafür verschiedene Satellitenbilder und digitale Dateien verwendet, bearbeitet und verändert, Küstenlinien, Fjorde und Inseln verschoben und Oberflächenstrukturen und Farben überarbeitet. Das so geschaffene Bild wurde im Rahmen eines 1996 ausgetragenen Wettbewerbs um die Gestaltung der Euro-Banknoten in dem letztlich als Sieger auserkorenen Entwurf verwendet. Der Kläger übertrug einer europäischen Institution die Nutzungsrechte an der bearbeiteten Satellitenaufnahme und erhielt dafür 2.180 €. Später wurde die Lizenz zur Nutzung des Bildes auf die Europäische Zentralbank übertragen.
Der Kläger hat verlangt, dass die Europäische Zentralbank ihm eine sog. angemessene Vergütung bzw. Nachvergütung nach dem Urhebergesetz zahlt. Für die Vergangenheit hat er 2,5 Mio. Euro gefordert und zusätzlich jährlich 100.000 Euro für die Dauer von weiteren 30 Jahren.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen. Eine Vergütung nach dem Urhebergesetz sei ausgeschlossen, weil ein Werk des Klägers tatsächlich nicht genutzt werde. Die Richterinnen und Richter erklärten in ihrem Urteil: „Zwar wird die Bilddatei des Klägers als Ausgangsprodukt für die Gestaltung verwendet, indem die Satellitenansicht Europas in ihren Umrissen übernommen wird.“ Jedoch weiche die Darstellung auf den Euro-Banknoten so stark von dem Satellitenbild des Klägers ab, dass ein selbständiges, neues Werk geschaffen worden sei.
Maßgeblich sei, ob „die dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge im neuen Werk zurücktreten, sodass die Benutzung des älteren Werkes durch das neue nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffen erscheint.“ Das sei vorliegend der Fall: „Bei einem Gesamtvergleich der Bilddatei mit den Euro-Banknoten ist ein Verblassen der eigenschöpferischen Merkmale der Bilddatei anzunehmen.“ Denn der europäische Kontinent werde nur auf einem verhältnismäßig geringen Teil der Banknoten dargestellt. Auf dem Bild des Klägers seien die Landmassen Europas außerdem in naturtypischer Darstellung in grün und dunkelbraun gehalten, während der Kontinent auf den Euro-Banknoten in der jeweiligen Grundfarbe der Stückelung nur einfarbig mit Linienreliefs gestaltet werde. Schließlich sei auf den Geldscheinen von der für eine Satellitenaufnahme prägenden Darstellung der Lebensumwelt, insbesondere der Höhen und Tiefen der Landschaftselemente, vollständig Abstand genommen worden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
(PM v. 25.05.2022)
Internet-Bestellung: Klick auf "Buchung abschließen" nicht in jedem Fall verbindlich
07.04.2022 | Anbieter im Internet muss mit eindeutigem Button auf entstehende Zahlungspflicht des Kunden hinweisen
(EuGH, Urteil vom 07.04.2022 - C-249/21)
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Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 07.04.2022 (C-249/21) Folgendes entschieden:
Damit ein auf elektronischem Wege geschlossener Vertrag wirksam zustande kommt, muss der Verbraucher allein anhand der Worte auf der Schaltfläche für die Bestellung eindeutig verstehen, dass er eine Zahlungsverpflichtung eingeht, sobald er diese Schaltfläche aktiviert.
Fuhrmann-2 ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die Eigentümerin des Hotels Goldener Anker in Krummhörn-Greetsiel (Deutschland) ist. Die Zimmer dieses Hotels können u. a. über die Website www.booking.com gemietet werden, eine Plattform, auf der im Internet Unterkünfte reserviert werden können.
Am 19. Juli 2018 rief der Verbraucher B. diese Website auf, um nach Hotelzimmern in Krummhörn-Greetsiel für den Zeitraum vom 28. Mai 2019 bis zum 2. Juni 2019 zu suchen. Unter den angezeigten Suchergebnissen befanden sich die Zimmer im Hotel Goldener Anker. B. klickte sodann das entsprechende Bild dieses Hotels an, worauf ihm die verfügbaren Zimmer sowie weitere Informationen u. a. zu der Ausstattung und den Preisen dieses Hotels für den gewählten Zeitraum angezeigt wurden. B. beschloss, dort vier Doppelzimmer zu reservieren, und klickte auf die Schaltfläche „Ich reserviere“.
Anschließend gab er seine persönlichen Daten sowie die Namen seiner Mitreisenden ein und klickte auf eine Schaltfläche mit den Worten „Buchung abschließen“.
B. erschien am 28. Mai 2019 nicht im Hotel Goldener Anker.
Fuhrmann-2 stellte B. gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Stornierungskosten in Höhe von 2 240 Euro in Rechnung und setzte ihm eine Frist von fünf Werktagen, um diesen Betrag zu begleichen.
B. zahlte den geforderten Betrag nicht. Fuhrmann-2 rief das Amtsgericht Bottrop (Deutschland) an, um diesen Betrag beizutreiben.
Dieses Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob es für die Feststellung, ob im Rahmen eines Bestellvorgangs zum Abschluss eines Fernabsatzvertrags auf elektronischem Wege eine auf der Schaltfläche für die Bestellung oder auf einer ähnlichen Funktion verwendete Formulierung wie „Buchung abschließen“ den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ entspricht, ausschließlich auf die Worte auf dieser Schaltfläche ankommt oder ob auch die Begleitumstände des Bestellvorgangs zu berücksichtigen sind.
In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass gemäß der Richtlinie 2011/831 der Unternehmer, wenn ein Fernabsatzvertrag auf elektronischem Wege durch einen Bestellvorgang geschlossen wird und mit einer Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers verbunden ist, diesem zum einen unmittelbar vor der Bestellung die wesentlichen Informationen zum Vertrag zur Verfügung stellen und ihn zum anderen ausdrücklich darüber informieren muss, dass er durch die Bestellung eine Zahlungsverpflichtung eingeht.
Zu letzterer Verpflichtung ergibt sich aus dem Wortlaut der Richtlinie 2011/83, dass die Schaltfläche für die Bestellung oder die ähnliche Funktion mit einer gut lesbaren und eindeutigen Angabe zu kennzeichnen ist, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist.
Zwar wird in der Richtlinie die Formulierung „zahlungspflichtig bestellen“ angeführt, aus ihrem Wortlaut geht aber auch hervor, dass es sich bei dieser Formulierung um ein Beispiel handelt und die Mitgliedstaaten ermächtigt sind, dem Unternehmer die Verwendung jeder anderen entsprechenden Formulierung zu gestatten, sofern diese im Hinblick auf die Begründung dieser Verpflichtung eindeutig ist.
In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine nationale Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 2011/83 wie diese selbst keine konkreten Beispiele entsprechender Formulierungen enthält, steht es den Unternehmern daher frei, jede Angabe ihrer Wahl zu verwenden, sofern aus dieser eindeutig hervorgeht, dass der Verbraucher eine Zahlungsverpflichtung eingeht, sobald er die Schaltfläche für die Bestellung oder die ähnliche Funktion aktiviert.
Der Gerichtshof ergänzt, dass aus dem Wortlaut der Richtlinie 2011/83 ebenso klar hervorgeht, dass es die Schaltfläche oder die ähnliche Funktion ist, die mit dieser Formulierung gekennzeichnet sein muss, so dass allein die Worte auf dieser Schaltfläche oder dieser ähnlichen Funktion bei der Prüfung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer seiner Verpflichtung nachgekommen ist, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist.
Unter diesen Umständen wird das vorlegende Gericht u. a. zu prüfen haben, ob der Begriff „Buchung“ in der deutschen Sprache sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der Vorstellung des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zwangsläufig und systematisch mit der Begründung einer Zahlungsverpflichtung in Verbindung gebracht wird. Falls dies zu verneinen ist, wird es festzustellen haben, dass der Ausdruck „Buchung abschließen“ mehrdeutig ist, so dass er nicht als eine Formulierung angesehen werden kann, die den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ in der Richtlinie 2011/83 entspricht.
(PM Nr. 60/22 v. 07.04.2022)
Simply The Best: Kunstfreiheit deckt auch Double-Auftritt
24.02.2022 | Werbung für "Tina-Turner-Tribute-Show" unzulässig, wenn Eindruck entsteht, prominentes Original unterstütze die Show - aber Darbietung durch täuschend ähnliche Sängerin von Kunstfreiheit geschützt
(BGH, Urteil vom 24.02.2022 - I ZR 2/21)
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Der Bundesgerichtshofs hat mit URteil vom 24.02.2022 (I ZR 2/21) über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen für eine Show, in der die Lieder einer weltberühmten Sängerin nachgesungen werden, mit dem Namen der Sängerin und der Abbildung einer in der Show auftretenden Doppelgängerin geworben werden darf.
Sachverhalt:
Die unter dem Künstlernamen Tina Turner auftretende Klägerin ist eine weltberühmte Sängerin. Die Beklagte ist die Produzentin einer Show, in der die Sängerin F. auftritt und die größten Hits der Klägerin präsentiert. Die Beklagte warb mit Plakaten, auf denen F. abgebildet und die Show mit den Worten "SIMPLY THE BEST - DIE tina turner STORY" angekündigt wird. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Betrachter aufgrund der Ähnlichkeit zwischen F. und ihr sowie des genannten Texts davon ausgehe, sie selbst sei auf den Plakaten abgebildet und an der Show beteiligt. Die Klägerin hatte weder in die Verwendung ihres Bildnisses noch ihres Namens eingewilligt und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stünden keine Unterlassungsansprüche zu. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild und am eigenen Namen der Klägerin eingegriffen hat. Wird eine Person durch eine andere Person - beispielsweise einen Schauspieler - dargestellt, liegt ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild vor, wenn aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die beanstandete Werbung den Eindruck erweckt, auf den Plakaten sei die Klägerin abgebildet.
Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht die Verwendung des Bildnisses der Klägerin auf den streitgegenständlichen Plakaten der Beklagten als nach §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Kunsturhebergesetz (KUG) erlaubt angesehen.
Die Klägerin kann sich aber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG bereits deswegen nicht zu Gunsten der Beklagten eingreifen könne, weil das in Rede stehende Bildnis auf Bestellung angefertigt worden sei. Ist die tatsächlich abgebildete Person nicht identisch mit der Person, die aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums (vermeintlich) abgebildet ist, kann allenfalls die tatsächlich, nicht aber die vermeintlich abgebildete Person gegen die Verwendung der Abbildung einwenden, dass sie auf Bestellung angefertigt worden sei.
Der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte ein Bildnis der Klägerin zur Bewerbung einer anderen Kunstform - hier einer Tribute-Show - eingesetzt hat. Vor dem Hintergrund des weiten Schutzbereichs der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG ist dies vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst.
Die Werbung für eine Show, in der Lieder einer prominenten Sängerin von einer ihr täuschend ähnlich sehenden Darstellerin nachgesungen werden, mit einem Bildnis der Darstellerin, das den täuschend echten Eindruck erweckt, es handele sich um die prominente Sängerin selbst, ist grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den vermögenswerten Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des prominenten Originals ist mit der Werbung für eine solche Tribute-Show allerdings dann verbunden, wenn der unzutreffende Eindruck erweckt wird, das prominente Original unterstütze sie oder wirke sogar an ihr mit. Das Berufungsgericht ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass den Plakaten der Beklagten nicht die unwahre Tatsachenbehauptung zu entnehmen ist, die Klägerin unterstütze die Show der Beklagten oder wirke sogar an ihr mit. Die Plakate enthalten keine ausdrückliche Aussage darüber und sind auch nicht in diesem Sinne mehrdeutig.
Für die Interessenabwägung zum Recht der Klägerin am eigenen Namen hat das Berufungsgericht auf seine Ausführungen bei der Interessenabwägung zum Recht am eigenen Bild verwiesen. Dies ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
(PM Nr. 024/2022 v. 24.02.2022)
Lizenzrechte an Fachartikeln: keine Veröffentlichung im Netzwerk ohne Verlagsgenehmigung
31.01.2022 | Verlagsgebundene Fachartikel: Genehmigung des Verlages auch für Veröffentlichung auf Plafttform eines Forschernetzwerks erforderlich
(LG München I, Urteil vom 31.01.2022 - 21 O 14450/17)
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Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 31.01.2022 (21 O 14450/17) Folgendes entschieden:
Den Betreibern der Internetplattform, auf der sich Wissenschaftler untereinander austauschen und hierzu jeweils Nutzerprofile anlegen können, wird das Zugänglichmachen verlagsgebundener Fachartikel über die Internetplattform ohne Genehmigung der betroffenen Fachverlage untersagt.
Im Streit zwischen mehreren wissenschaftlichen Fachverlagen und einem Forschernetzwerk hat das LG München I den Betreibern der Plattform das Zugänglichmachen verlagsgebundener Fachartikel über die Internetplattform untersagt.
Auf der betroffenen Internetplattform, auf der sich Wissenschaftler untereinander austauschen und hierzu jeweils Nutzerprofile anlegen können, waren zahlreiche Fachartikel zugänglich gemacht worden. Mehrere Wissenschaftsverlage hatten mit ihrer gegen die Plattform gerichteten Klage ein Verbot solcher Publikationen beantragt; aus Sicht der Wissenschaftsverlage handelte es sich nämlich um das geistige Eigentum der Verlage, waren die betroffenen Artikel doch in den Fachzeitschriften dieser Verlage veröffentlicht worden.
Da die klagenden Verlage ihren Sitz in den USA, Großbritannien und den Niederlanden haben und die streitigen Artikel von multinationalen Autorenteams stammen, war die Frage, inwieweit den klagenden Verlagen überhaupt Rechte an den Artikeln zustehen, zwischen den Parteien hoch umstritten. Die Beklagte war der Ansicht, dass sie für das Zugänglichmachen der Artikel nicht verantwortlich gemacht werden könne, da diese von den Nutzern selbst auf der Plattform eingestellt worden seien.
Das Landgericht verbot den Plattformbetreibern mit dem am 31.01.2022 verkündeten Urteil schließlich das Zugänglichmachen der Artikel, während der Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht zurückgewiesen wurde.
Zur Überzeugung des Landgerichts konnten zumindest die Unterlassungsansprüche von den Verlagen mit Erfolg geltend gemacht werden, da die Verlage insofern ihre Rechteinhaberschaft hinreichend belegt hatten und für den Inhalt der Plattform auch verantwortlich waren.
Das LG München I hat im Gegensatz zu den Unterlassungsansprüchen den von der Klägerin begehrten Schadenersatzanspruch zurückgewiesen, da nach § 10 UrhG im Falle eines Schadenersatzbegehrens höhere Anforderungen an den Nachweis der Rechtsinhaberschaft bestehen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
(PM Nr. 5/2022 v. 04.02.2022)