WEG-Recht
WEG: Nutzungsänderungs-Beschluss zugunsten eines Eigentümers zulässig
14.10.2024 | Beschlusskompetenz einer WEG besteht auch dann, wenn bauliche Veränderung die Nutzung des Gemeinschaftseigentums zukünftig unmöglich macht – aber: Kompensationsvereinbarung unzulässig
(BGH, Urteil vom 19.07.2024 - V ZR 226/23)
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Der Bundesgerichtshof hat mit heute veröffentlichtem Urteil vom 19.07.2024 (V ZR 226/23) Folgendes entschieden:
1) Die Wohnungseigentümer können eine bauliche Veränderung auch dann beschließen, wenn die Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum dauerhaft nur dem bauwilligen Wohnungseigentümer zustehen soll.
2) Die Beschlusskompetenz für die Gestattung einer baulichen Veränderung besteht auch dann, wenn die Beschlussfassung dazu führt, dass die in einer Vereinbarung vorgesehene Nutzung des Gemeinschaftseigentums faktisch nicht mehr möglich ist.
3) Den Wohnungseigentümern fehlt die Kompetenz, durch Beschluss Kompensationszahlungen festzulegen, die die Wohnungseigentümer, denen eine bauliche Veränderung gestattet wird, an die übrigen Wohnungseigentümer leisten sollen.
Sachverhalt:
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE); ihm gehört eine der drei Einheiten, nämlich die im Erdgeschoss. In der Eigentümerversammlung vom 24. November 2021 fassten die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss:
"Beschluss über die Genehmigung zur Errichtung von Gartenhütten im Allgemeineigentum für Fahrräder und Abstellen von Gartenwerkzeugen. Die Finanzierung erfolgt auf eigene Kosten der jeweiligen Eigentümer, die eine solche Gartenhütte auf dem Allgemeineigentum errichten möchten. Die Gartenhütten sollen rechts vom Haus ohne Fundament aufgestellt werden. Die Skizze zum Protokoll wird in die Beschlussfassung mit aufgenommen. Die Eigentümer der Dachgeschosswohnung würden als Entgelt für die Nutzung einen monatlichen Betrag in Höhe von EUR 10,00 pro Wohnung als Nutzungsentschädigung an die Eigentümer der Wohnung OG und EG überweisen. Die Eigentümer der Wohnung OG schließen sich dem Vorschlag an und würden ebenfalls monatlich EUR 10,00 als Nutzungsentschädigung an die Wohnung DG und EG überweisen. Die Gartenhütte sollte in metallhellgrau und anthrazit sein. Flächenmaß ca. 261 x 182 cm, Höhe 206 cm."
Mit der erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist eingegangenen Klage beantragte der Kläger, die Nichtigkeit dieses Beschlusses festzustellen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
Gründe:
Die Revision ist erfolgreich. Das Urteil des Berufungsgerichts ist teilweise abzuändern und die Nichtigkeit des Beschlusses festzustellen.
Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der Beschluss, soweit er die Errichtung der Gartenhütten gestattet, keine Nichtigkeitsgründe aufweist. Nur hierauf kann die Klage gestützt werden, da die Anfechtungsfrist des § 45 WEG nicht gewahrt wurde.
Das Berufungsgericht prüft zu Recht, ob den Wohnungseigentümern für den Gestattungsbeschluss, an dessen hinreichender Bestimmtheit der Senat auch unter Berücksichtigung der von der Revision erhobenen Rügen ebenso wie das Berufungsgericht keine Zweifel hat, die Beschlusskompetenz gemäß § 20 Abs. 1 WEG zusteht. Bei der in dem Beschluss genehmigten Errichtung von Gartenhütten handelt es sich nämlich um Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen und deshalb als bauliche Veränderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 WEG zu qualifizieren sind.
Darüber hinaus können die Wohnungseigentümer seit dem 1. Dezember 2020 eine bauliche Veränderung auch dann beschließen, wenn die Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum dauerhaft nur dem bauwilligen Wohnungseigentümer zustehen soll. So liegt es hier; denn bei der gebotenen nächstliegenden Auslegung begründet der Beschluss die jeweils alleinige und ausschließliche Nutzungsbefugnis der bauenden Wohnungseigentümer, verbunden jeweils mit dem Recht der übrigen Wohnungseigentümer, ihrerseits ebenfalls eine Gartenhütte für die eigene Nutzung zu errichten.
Der Beschlusskompetenz gemäß § 20 Abs. 1 WEG steht die Begründung einer solchen (dauerhaft) ausschließlichen Nutzungsbefugnis nicht entgegen. Zwar hat ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, die Nutzungen zu ziehen, grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird (§ 21 Abs. 4 Satz 1 WEG). § 21 WEG regelt aber lediglich die gesetzlichen Folgen eines auf der Grundlage von § 20 Abs. 1 WEG gefassten Beschlusses und schränkt die dort eingeräumte Beschlusskompetenz nicht ein. Ein exklusives Nutzungsrecht des bauwilligen Wohnungseigentümers führt deshalb nicht zur Nichtigkeit des Gestattungsbeschlusses.
Die Beschlusskompetenz für die Gestattung einer baulichen Veränderung besteht auch dann, wenn die Beschlussfassung - wie hier - dazu führt, dass die in einer Vereinbarung vorgesehene Nutzung des Gemeinschaftseigentums faktisch nicht mehr möglich ist.
Weiter ist zu klären, in welchem Verhältnis die den Wohnungseigentümern in § 20 Abs. 1 WEG eingeräumte Beschlusskompetenz für bauliche Veränderungen zu einer Nutzungsvereinbarung steht.
Haben die Wohnungseigentümer eine bestimmte Angelegenheit durch eine Vereinbarung i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG geregelt, ist eine Aufhebung, Änderung oder Ergänzung nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich nur durch eine erneute Vereinbarung möglich. Dies setzt die Mitwirkung aller Wohnungseigentümer voraus. Soll eine Vereinbarung durch Mehrheitsbeschluss geändert werden, besteht hierfür nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine Beschlusskompetenz nur dann, wenn das Gesetz oder die Gemeinschaftsordnung bzw. eine anderweitige Vereinbarung eine solche Änderung ausdrücklich vorsehen (sog. Öffnungsklausel). Ohne eine solche Öffnungsklausel ist ein vereinbarungsändernder Beschluss mangels Beschlusskompetenz nichtig.
Von Rechtsfehlern beeinflusst ist aber die weitere Annahme des Berufungsgerichts, auch für die neben der Gestattung der Baumaßnahme vorgesehene Nutzungsentschädigung bestehe die Beschlusskompetenz. Diese Annahme beruht auf einer Auslegung des Beschlusses, die der revisionsrechtlich uneingeschränkten Nachprüfung nicht standhält.
Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass Beschlüsse der Wohnungseigentümer objektiv und normativ auszulegen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die zu einer gesetzmäßigen Verwaltung verpflichteten Wohnungseigentümer im Zweifel keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollen. Bei der Subsumtion unter diese Auslegungsregel verkennt das Berufungsgericht aber, dass hier kein Zweifelsfall vorliegt. Ist die Auslegung eindeutig, kann ein davon abweichendes Auslegungsergebnis nicht damit begründet werden, dass der Beschluss anderenfalls rechtswidrig bzw. nichtig wäre.
So liegt es hier. Der Beschluss soll nach seinem Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter im Gegenzug zu der Genehmigung, die Gartenhütten zu errichten, Kompensationszahlungen der beiden bauwilligen Wohnungseigentümer an den Kläger und den anderen (bauwilligen) Wohnungseigentümer festlegen.
Auch wenn die bauwilligen Wohnungseigentümer freiwillig zahlen wollen, ändert dies nichts daran, dass das Gesetz eine Beschlusskompetenz für die Festlegung von Zahlungen der Wohnungseigentümer untereinander nicht vorsieht.
Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit der in dem Beschluss enthaltenen Entgeltregelung führt zur vollständigen Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO), auch wenn die Ausführungen zu der fehlenden Nichtigkeit des Gestattungsbeschlusses rechtlich nicht zu beanstanden sind.
Das Berufungsgericht hat nämlich - von seinem Ausgangspunkt folgerichtig - nicht geprüft, ob die Nichtigkeit der Entgeltregelung in entsprechender Anwendung des § 139 BGB auch die Nichtigkeit der im Beschluss enthaltenen Gestattung bewirkt und damit zur Gesamtnichtigkeit des Beschlusses führt.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Es bedarf keiner weiteren Feststellungen. Das erstinstanzliche Urteil ist teilweise abzuändern, und die Nichtigkeit des Beschlusses ist festzustellen.
WEG-interner Rechtsstreit: Auch obsiegender Miteigentümer trägt Prozesskosten mit
19.07.2024 | Prozesskosten einer WEG sind Verwaltungskosten - alle Miteigentümer sind, unabhängig von ihrer Parteistellung, daran anteilig zu beteiligen
(BGH, Urteil vom 19.07.2024 - V ZR 139/23)
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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 19.07.2024 (V ZR 139/23) Folgendes entschieden:
Prozesskosten, die der unterlegenen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, zählen zu den Kosten der Verwaltung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG gehören.
Daher sind sie, soweit keine abweichende Regelung getroffen worden ist, nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel umzulegen.
Dies führt dazu, dass auch der obsiegende Beschlusskläger die Prozesskosten der unterlegenen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer anteilig mitfinanzieren muss.
Sachverhalt:
Die drei Klägerinnen sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Eigentümerinnen jeweils einer der insgesamt acht Wohnungseigentumseinheiten. In der Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2019 ist geregelt, dass die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die Wohnungseigentumseinheiten umgelegt werden.
Im Jahr 2021 fochten die Klägerinnen bei dem Amtsgericht einen von den Eigentümern gefassten Beschluss an (im Folgenden: Vorprozess). Das Amtsgericht gab der Klage statt und verurteilte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dazu, die Kosten des Vorprozesses zu tragen.
Im April 2022 beschlossen die Eigentümer, diese Kosten durch eine Sonderumlage zu finanzieren. Hierfür sollte je Wohnungseigentumseinheit ein Betrag in Höhe von 799,21 EUR gezahlt werden, mithin auch von jeder der Klägerinnen.
Bisheriger Prozessverlauf:
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Anfechtungsklage, die vor dem Amtsgericht keinen Erfolg gehabt hat. Auf die Berufung einer der Klägerinnen hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat der Revision stattgegeben und die amtsgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt, so dass die Anfechtungsklage endgültig abgewiesen worden ist.
Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde:
Der Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung. Nach dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel sind die Prozesskosten des Vorprozesses auch auf die obsiegenden Anfechtungsklägerinnen umzulegen. Die Gemeinschaftsordnung ist dahin auszulegen, dass mit dem dort verwendeten Begriff der Verwaltungskosten auf die entsprechende, aktuell geltende gesetzliche Regelung Bezug genommen wird. Ob die Kosten des Vorprozesses zu den Verwaltungskosten gehören, ist daher nach dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG zu beurteilen. Die umstrittene Frage, ob hiernach Prozesskosten, die in Beschlussklageverfahren der unterlegenen Gemeinschaft auferlegt worden sind, auf alle Miteigentümer einschließlich der obsiegenden Kläger umzulegen sind, hat der Bundesgerichtshof in der heutigen Entscheidung bejaht.
Beschlussklagen sind seit dem 1. Dezember 2020 nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG). Damit sind auch Kosten, die der Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, Verwaltungskosten der Gemeinschaft, an denen sämtliche Wohnungseigentümer unabhängig von ihrer Parteistellung im Prozess zu beteiligen sind.
Eine einschränkende Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG unter Wertungsgesichtspunkten kommt nicht in Betracht. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kostenfolge - insbesondere in kleinen Gemeinschaften - potentielle Beschlusskläger von einer Klage abhalten kann. Es fehlt aber an einer planwidrigen Regelungslücke. Dass der Gesetzgeber übersehen hat, dass § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG aufgrund der nunmehrigen Parteistellung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei Beschlussklagen auch die Kosten des obsiegenden Beschlussklägers erfasst, kann nicht angenommen werden.
Auch die Rechtskraft der Kostenentscheidung des Vorprozesses hat keinen Einfluss auf den anzuwendenden Umlageschlüssel. Ob materiell-rechtliche Erstattungsansprüche der obsiegenden Beschlusskläger gegen die Gemeinschaft denkbar sind, hat der Bundesgerichtshof offengelassen, weil derartige Ansprüche im Rahmen der Beschlussfassung über eine Sonderumlage grundsätzlich nicht berücksichtigt werden müssen.
Der Bundesgerichtshof hat zudem entschieden, dass der Beschluss auch nicht - wie das Landgericht gemeint hatte - wegen eines Ermessensausfalls ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Zwar eröffnet § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Möglichkeit, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von dem vereinbarten bzw. gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Verteilung zu beschließen. Eine derartige Entscheidung bedarf aber einer gesonderten Beschlussfassung vor Erhebung der Sonderumlage. Solange eine Beschlussfassung zur Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht erfolgt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt worden ist, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, bei der Beschlussfassung über eine Sonderumlage den geltenden Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden. Ein Ermessen für die Anwendung eines anderen Kostenverteilungsschlüssels stand den Wohnungseigentümern bei der Beschlussfassung über die Sonderumlage daher nicht zu.
Der Bundesgerichtshof hat darüber hinaus geklärt, dass ein solcher Beschluss auch nicht deswegen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, weil den Wohnungseigentümern - wie es hier möglicherweise der Fall war - nicht bewusst war, dass sie vorab einen anderen Kostenverteilungsschlüssel hätten beschließen können. Denn die Wohnungseigentümer dürfen sich ohne Weiteres an ihre Vereinbarungen halten und ihre Beschlüsse auf deren Grundlage fassen; sie sind nicht gehalten, vor jeder Beschlussfassung mögliche Änderungen der geltenden Vereinbarungen in Betracht zu ziehen.
(PM Nr. 151/2024 v. 19.07.2024)
Behindertengerechter Aufzug in WEG-Anlage: Bau ist zulässig
09.02.2024 | Barriere-Reduzierung in WEG-Anlage durch Aufzugsinstallation ist nach dem Gesetzeswillen angemessen - auch Begleitumstände (Eingriff in Bausubstanz, optische Veränderungen usw.) sind gedeckt
(BGH, Urteil vom 09.02.2024 – V ZR 244/22)
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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 09.02.2024 (V ZR 244/22) Folgendes entschieden:
Die von den Klägern erstrebte Errichtung eines Personenaufzugs stellt eine angemessene bauliche Veränderung dar, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG).
Die Angemessenheit ist nur ausnahmsweise zu verneinen, wenn mit der Maßnahme Nachteile verbunden sind, die über die Folgen hinausgehen, die typischerweise mit der Durchführung einer privilegierten baulichen Veränderung einhergehen.
Eingriffe in die Bausubstanz, übliche Nutzungseinschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen der Anlage etwa aufgrund von Anbauten können die Unangemessenheit daher regelmäßig nicht begründen.
Sachverhalt:
Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Anlage besteht aus zwei zwischen 1911 und 1912 im Jugendstil errichteten Wohnhäusern und steht unter Denkmalschutz. Das Vorderhaus erhielt im Jahr 1983 den Fassadenpreis der Stadt München. Die Wohneinheiten der Kläger befinden sich im dritten und vierten Obergeschoss des Hinterhauses (ehemaliges "Gesindehaus"), bei dem die Fassade und das enge Treppenhaus im Vergleich zum Vorderhaus eher schlicht gehalten sind. Ein Personenaufzug ist nur für das Vorderhaus vorhanden.
In der Eigentümerversammlung vom 26. Juli 2021 wurde unter anderem ein Antrag der nicht körperlich behinderten Kläger abgelehnt, ihnen auf eigene Kosten die Errichtung eines Außenaufzugs am Treppenhaus des Hinterhauses als Zugang für Menschen mit Behinderungen zu gestatten. Mit der Beschlussersetzungsklage wollen die Kläger erreichen, dass die Errichtung des Personenaufzugs dem Grunde nach beschlossen ist.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht durch Urteil den Beschluss ersetzt, dass am Hinterhaus auf der zum Innenhof gelegenen Seite ein Personenaufzug zu errichten ist. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Mit einem Grundlagenbeschluss, den das Berufungsgericht ersetzt hat, wird eine verbindliche Regelung über die Errichtung des von den Klägern begehrten Personenaufzuges für das Hinterhaus begründet und die spätere Durchführung legitimiert.
Der Klage ist zu Recht stattgegeben worden, weil der geltend gemachte Anspruch gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG auf eine Beschlussfassung besteht und nach § 20 Abs. 4 WEG die Grenzen einer zulässigen Bebauung eingehalten werden. Bedenken gegen die Beschlusskompetenz bestehen nicht. Nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht können die Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung grundsätzlich auch dann beschließen, wenn die Beschlussfassung die Zuweisung einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis (§ 21 Abs. 1 Satz 2 WEG) an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum zur Folge hat, wie dies hier hinsichtlich des Aufzugs der Fall ist.
Die von den Klägern erstrebte Errichtung eines Personenaufzugs stellt eine angemessene bauliche Veränderung dar, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG). Die Angemessenheit ist nur ausnahmsweise zu verneinen, wenn mit der Maßnahme Nachteile verbunden sind, die über die Folgen hinausgehen, die typischerweise mit der Durchführung einer privilegierten baulichen Veränderung einhergehen.
Eingriffe in die Bausubstanz, übliche Nutzungseinschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen der Anlage etwa aufgrund von Anbauten können die Unangemessenheit daher regelmäßig nicht begründen. Die Kosten der baulichen Veränderung sind für das Bestehen eines Anspruchs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG grundsätzlich ohne Bedeutung, da sie gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG von dem verlangenden Wohnungseigentümer zu tragen sind.
Vor diesem Hintergrund bejaht das Berufungsgericht zu Recht die Angemessenheit der Maßnahme. Weiterer Vortrag war von den Klägern nicht zu verlangen. Zwar trägt die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände der Angemessenheit einer baulichen Veränderung der klagende Wohnungseigentümer. Da der Gesetzgeber aber die Angemessenheit als Regel ansieht, obliegt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Darlegung, warum ein atypischer Fall vorliegt. Hieran fehlt es.
Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne von § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 1 WEG, die dem Anspruch entgegenstehen könnte, ist mit der Errichtung eines Aufzugs nicht verbunden. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass nicht jede bauliche Veränderung, die nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG aF die Eigenart der Wohnanlage änderte, auch im Sinne des neuen § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 1 WEG zu einer grundlegenden Umgestaltung führt. Nach nunmehr geltendem Recht ist bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zweckes i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG dient, eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage zumindest typischerweise nicht anzunehmen. Der von dem Gesetzgeber im gesamtgesellschaftlichen Interesse erstrebten Privilegierung bestimmter Kategorien von Maßnahmen - unter anderem zur Förderung der Barrierefreiheit - ist bei der Prüfung, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung zu tragen. Außergewöhnliche Umstände, die eine solche Ausnahme von der Regel begründen könnten, liegen auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.
Es lässt sich auch keine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers im Sinne von § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 2 WEG feststellen. Mit dem Verbot, einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig zu benachteiligen, knüpft das Gesetz an die Regelung in § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG aF zu den Grenzen der Zulässigkeit von Modernisierungsmaßnahmen an. Die von dem Berufungsgericht insoweit vorgenommene tatrichterliche Würdigung weist keine Rechtsfehler auf. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Verschattungen- und Lärmbeeinträchtigungen etwa durch den konkreten Standort der Aufzugsanlage, durch die Größe sowie die bauliche Gestaltung des Aufzugs einschließlich der verwendeten Materialien bis zu einem gewissen Grad noch bei der Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 WEG) steuerbar sind.
(PM Nr. 026/2024 v. 09.02.204)
Photovoltaikanlage am Balkon: vorherige Zustimmung der anderen WEG-Eigentümer nötig
09.02.2023 | Anders als bei einer Wall-Box: Kein genereller Anspruch gegen Miteigentümer einer WEG auf Anbau einer Photovoltaikanlage am eigenen Balkon - Gesetzgeber ist ggf. aufgerufen, für Klimaschutz entsprechende Optionen zu schaffen
(AG Konstanz, Urteil vom 09.02.2023 - 4 C 425/22)
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Das AG Konstanz hat mit Urteil vom 09.02.2023 (4 C 425/22) Folgendes entschieden:
Ein Wohnungseigentümer hat gegen die Miteigentümer keinen generellen Anspruch auf Genehmigung eines Balkonkraftwerkes. Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft auf Abbau einer ungenehmigten Photovoltaikanlage entspricht daher ordnungsmäßiger Verwaltung.
Es wird darüber gestritten, ob der Mieter der Klägerinnen an der Außenseite des Balkons eine Photovoltaikanlage anbringen darf. Die Klägerinnen sind gemeinsam Eigentümerinnen einer Eigentumswohnung der verklagten WEG. Es handelt sich hierbei um eine größere Anlage mit 34 Wohnungen. Die Klägerinnen haben die Wohnung an ihren Sohn bzw. Enkel vermietet. Dieser hat mit ihrer Zustimmung, jedoch ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer, an der Außenseite des Balkons eine Mini-Solaranlage / ein Balkonkraftwerk angebracht bzw. anbringen lassen. Das Modul hat eine Fläche von 168 cm x 100 cm und ist an einen Wechselrichter angeschlossen.
Bei der WEG-Eigentümerversammlung vom 04.10.2022 wurde mehrheitlich beschlossen: „Der Verwalter wird ermächtigt und beauftragt, alle rechtlichen Mittel gegen die rechtswidrigen baulichen Veränderungen (Aufhängen von Sonnenkollektoren an Balkonbrüstungen) durch die Eigentümer X und Y/Z zu ergreifen.“ Unter TOP 3 der genannten WEG-Versammlung wurde mehrheitlich gegen die Genehmigung des Balkonkraftwerkes der Klägerinnen gestimmt.
Die Klägerinnen behaupten, dass die Photovoltaikanlage keine optische Beeinträchtigung des Gesamteindrucks darstelle. Dies ergebe sich daraus, dass schon so eine sehr uneinheitliche Fassade mit verschiedenen Farben, inhomogenen Markisen, nach der Hausordnung erlaubten Balkonkästen etc. vorhanden sei. Die 1,7 m² fielen im Verhältnis zur Gesamt-Frontseite von 920 m² nicht ins Gewicht. Auch sei das Modul in der neutralen Farbe schwarz gehalten.
Die KLage ist als unbegründet abgewiesen worden. § 20 Abs. 1 WEG enthält eine sogenannte Bausperre für bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der Eigentümer. Eine solche Veränderung stellt die Montage einer Photovoltaikanlage dar (OLG Köln NZM 2002, 1033, siehe auch Rechtsprechungsnachweise bei Bärmann, Kommentar zum WEG, 14. Aufl, § 22, 38). Ein Eingriff in die Substanz ist hierzu nicht erforderlich. Die Anlage wurde daher illegal angebracht.
Es besteht auch keine Ermessensreduzierung auf Null, d. h., die Zustimmung zu der Anlage ist nicht die einzig vertretbare Möglichkeit: Bei der nachfolgenden Prüfung kommt es nicht auf den Maßstab von § 20 Abs. 4 WEG an, d. h. es bleibt irrelevant, dass die Wohnanlage (nicht) grundlegend umgestaltet wird oder einzelne Wohnungseigentümer gegenüber anderen (nicht) unbillig benachteiligt werden. Abs. 4 soll nicht dem veränderungswilligen Eigentümer unterstützen, sondern stellt im Gegenteil eine Veränderungssperre dar, wann eine bauliche Umgestaltung keinesfalls erfolgen darf (statt vieler: Hügel/Elzer, Kommentar zum WEG, 3. Auflage, § 20, 147, Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, RN 1008).
Auch aus § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG kann nicht hergeleitet werden, dass über die privilegierten Wall-Boxen hinaus eine Photovoltaikanlage außen am Balkon angebracht werden darf. Die Bundestagsdrucksache und die Bundesratsdrucksache führen in ihren Gesetzesbegründungen aus (BT-Drucks. 19/18791 Seiten 63-64, BR-Drucks. 168/20, Seiten 69-70), dass alles bezogen auf das Aufladen eines Fahrzeuges ermöglicht werden soll. Bedenkt man, dass ein solches Photovoltaikmodul einen mindest ebenso großen Eingriff darstellt, dann wäre dies gewiss gesondert ausgeführt worden. Eine solche Solaranlage ist daher nicht ein Annex zur privilegierten E-Mobilität.
Auch kann keine analoge Anwendung von § 20 Abs. 2 S. 1 und insbesondere dort Nr. 2 WEG erfolgen. Geht man zu den Anfängen der letzten WEG-Reform zurück, wird man finden, dass diese zunächst viel kleiner geplant war, ohne grundsätzliche strukturelle Umgestaltungen (siehe nur Lehman-Richter/Wobst RN 3). Das ursprüngliche Anliegen waren die sogenannten Wall-Boxen. Dies kann auch noch dem Wortlaut des Änderungsgesetzes entnommen werden. Es ging konkret um den Klimaschutz also nur, soweit Autos Zuhause aufgeladen werden können. Für den Gesetzgeber wäre es möglich gewesen, in § 20 WEG einen eigenen Absatz „Klimaschutz“ als allgemein privilegiert aufzunehmen. Stattdessen blieb es bei dem in keinerlei inneren Zusammenhang stehenden Sammelsurium von § 20 Abs. 2 S. 1 WEG. Der Gesetzgeber hätte auch den jetzigen § 20 Abs. 2 S. 1 WEG um konkrete weitere Vorhaben ergänzen können, die der Bekämpfung des Klimawandels dienen. Hierbei muss nicht nur an Photovoltaik- und Solaranlagen gedacht werden, energetische Dämmungen liegen ebenso nahe. Kleine Windkrafträder und Geothermie wären da schon ambitioniertere Vorhaben.
Auch der Verweis auf das Grundgesetz verfängt nicht. Eine analoge Anwendung von Vorschriften ist dann möglich, wenn dadurch gesetzliche Schutzlücken geschlossen werden. Der Staat ist von verfassungswegen verpflichtet, (z.B. gleichheitswidrige) Schutzlücken zu verhindern. Für die Fachgerichte kann daraus die Pflicht erwachsen, Lücken mit den herkömmlichen Methoden der Auslegung und Lückenfüllung zu schließen (BVerfG NZM 2011, 355, bei juris RN 17). Wie soeben ausgeführt, führt die herkömmliche Auslegung samt der Analogieprüfung nicht zu dem von den Klägerinnen gewollten Ergebnis.
Die Modernisierungsregelung für Mietwohnungen des § 555b BGB ist schon deshalb nicht anwendbar, weil es der Mieter selbst und nicht die Vermieterinnen waren, die das Balkonkraftwerk (mit Zustimmung der Vermieterinnen) installieren ließ. Nun eine Analogie aus dieser Vorschrift für das Wohnungseigentum herzuleiten scheitert auch daran, dass die entsprechende Öffnungsvorschrift nach § 22 Abs. 2 WEG a.F. nach der Gesetzesreform nicht mehr existiert. Auch hier besteht keine Regelungslücke. Es war eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die komplizierte alte Regelung des § 22 WEG mit seinen verschiedenen Mehrheiten und Abgrenzungsschwierigkeiten zu vereinfachen.
Schließlich ist bei der Anwendung von § 555b Nr. 1 BGB problematisch, dass die Endenergie entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht konkret für die betroffene Wohnung eingespart wird, da hier der Strom in das Stromnetz des Hauses eingespeist wird (s. hierzu Schmidt-Futterer, Mieterecht, 15. Auflage, § 555b, 27).
Da das Balkonkraftwerk trotz der Bausperre ohne die erforderliche Zustimmung installiert wurde, hat die WEG einen Beseitigungsanspruch, §§ 20 Abs. 1 WEG, 1004 BGB.
(BeckRS 2023, 1459, beck-online)
WEG: Eigentümergemeinschaft kann Mängelrechte einzelner Eigentümer "vergemeinschaften"
11.11.2022 | Klagebefugnis der Gemeinschaft folgt aus Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum sowie der Pflicht zu dessen Erhaltung
(BGH, Urteil vom 11.11.2022 – V ZR 213/21)
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Der Bundesgerichtshof hat Urteil vom 11.11.2022 (V ZR 213/21) Folgendes entschieden:
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann auch nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen.
Darüber hinaus sind die Voraussetzungen für eine Haftung des Verkäufers eines Grundstücks wegen Altlasten bzw. eines Altlastenverdachts präzisiert worden.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentumsanlage befindet sich auf einem in München belegenen Grundstück, das ursprünglich im Eigentum der Beklagten, einem Immobilienunternehmen, stand. Die Beklagte teilte das Grundstück mit dem bestehenden Gebäude im Jahr 2012 in Wohnungseigentum auf und begann mit dem Verkauf der Einheiten. Für den zunächst beabsichtigten Bau einer Tiefgarage ließ sie im Frühjahr 2013 die Böden des Innenhofs und der Außenflächen der Anlage untersuchen. Dabei wurde eine ehemalige Kiesgrube aufgefunden, deren aufgefüllte Böden, wie weitere Untersuchungen zeigten, unterschiedlich mit Schadstoffen belastet sind.
Die Beklagte stoppte daraufhin zunächst den Verkauf und informierte die Stadt München. Behördlich angeordnete Untersuchungen des Oberbodens auf Altlasten ergaben Belastungen u.a. mit Benzo(a)pyren (BaP). In einer von der Beklagten in Auftrag gegebenen gutachterlichen Bewertung der Untersuchungsergebnisse wurde für den Innenhof ein Bodenaustausch bis zu einer Tiefe von 30 cm vorgeschlagen. Auf einen Austausch des tiefer liegenden Bodens könne wegen der geplanten Errichtung der Tiefgarage verzichtet werden. Maßnahmen im südlichen Außenbereich seien trotz der festgestellten Belastungen wegen einer möglichen Einzäunung der betroffenen Bereiche nicht erforderlich. Ab dem 29. Mai 2013 setzte die Beklagte den Verkauf der Wohnungen fort.
In den Kaufverträgen wies sie auf eine allein den Innenhof betreffende Altlastenauskunft der Stadt München hin und verpflichtete sich zur Durchführung der für den Innenhof vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen. Die Haftung für eine Altlastenfreiheit des Grundstücks außerhalb des Innenhofs wurde ausgeschlossen. In der Folgezeit tauschte die Beklagte den Oberboden des Innenhofes in einer Tiefe von 20 cm aus. Der Bau einer Tiefgarage erfolgte dagegen nicht. In zwei Eigentümerversammlungen im Mai 2014 und im Oktober 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die gerichtliche Geltendmachung möglicher Ansprüche wegen Altlasten im Innenhof und im südlichen Außenbereich.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der mit dem Hauptantrag beanspruchten Feststellung des Bestehens von Mängelansprüchen teilweise stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat das Oberlandesgericht den Hauptantrag als unzulässig abgewiesen und auf den Hilfsantrag der Klägerin die Beklagte zur Beseitigung der vorhandenen Altlasten durch Sanierung des Innenhofs und des südlichen Außenbereichs verurteilt, jedoch nur, soweit jeweils der Wert von 0,5 mg/kg BaP überschritten wird. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat die beklagte Verkäuferin die vollständige Abweisung der Klage erstrebt.
Die Klägerin hat mit der Anschlussrevision ihr Klagebegehren weiterverfolgt, soweit dieses erfolglos geblieben ist.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil auf die Revision der Beklagten aufgehoben, soweit die Beklagte zur Beseitigung verurteilt worden ist. Insoweit ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden. Die Anschlussrevision der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt.
Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde:
Der Hilfsantrag ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin für die Geltendmachung des Nachbesserungsanspruchs prozessführungsbefugt. Dies beruht auf den im Mai 2014 und Oktober 2015 gefassten Beschlüssen der Wohnungseigentümer. Nunmehr regelt § 9a Abs. 2 WEG zwar nur noch die sogenannte "geborene Ausübungsbefugnis"; danach kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (ohne weiteres) die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer ausüben, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und sie nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr.
Gleichwohl können, wie der Bundesgerichtshof nun geklärt hat, Ansprüche aus den Erwerbsverträgen, die die Mängelbeseitigung betreffen, weiterhin durch Mehrheitsbeschluss "vergemeinschaftet" werden.
Das hat hier zur Folge, dass die Prozessführungsbefugnis der Klägerin fortbesteht. § 9a Abs. 2 WEG nF erfasst jedenfalls nicht die primären Mängelrechte der Wohnungseigentümer. Diese Ansprüche ergeben sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum, sondern aus den individuellen Erwerbsverträgen, die die Wohnungseigentümer mit dem teilenden Eigentümer geschlossen haben. Sie erfordern keine einheitliche Rechtsverfolgung. Denn der Wohnungseigentümer, der selbständig die Mängelbeseitigung gegen den Veräußerer verfolgt, handelt grundsätzlich auch im wohlverstandenen Interesse aller anderen Wohnungseigentümer, und er darf seine vertraglichen Rechte im Grundsatz selbst wahrnehmen.
Eine Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss wird durch § 9a Abs. 2 WEG andererseits nicht ausgeschlossen. Die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergibt sich in der Sache unverändert aufgrund der Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum sowie der in § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG geregelten Pflicht zu dessen Erhaltung. Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung, der zufolge die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bauträgerrecht, nach der eine Vergemeinschaftung von werkvertraglichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen möglich war, fortgelten soll. Entsprechendes muss für die Vergemeinschaftung von kaufrechtlichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen gelten. Nur diese Sichtweise trägt der nach der Reform unveränderten Interessenlage der Wohnungseigentümer hinreichend Rechnung. Dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nunmehr der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt, hat nichts daran geändert, dass es Sache der Wohnungseigentümer ist, in der Eigentümerversammlung darüber zu befinden, auf welche Weise Mängel am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen sind. Ordnungsmäßiger Verwaltung wird es auch weiterhin in aller Regel entsprechen, einen gemeinschaftlichen Willen darüber zu bilden, wie die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu bewirken ist und ggf. welche vertraglichen Ansprüche geltend gemacht werden sollen.
In der Sache trägt die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung die Verurteilung der Beklagten zur Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1 BGB nicht. Zwar ist die Annahme, dass das Grundstück wegen des Vorfindens einer aufgefüllten Kiesgrube und eines hierdurch begründeten Altlastenverdachts einen Mangel iSd § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF aufweist, nicht zu beanstanden. Die von dem Verkäufer wegen eines Altlastenverdachts geschuldete Nachbesserung umfasst aber zunächst nur die Ausräumung des Verdachts durch Aufklärungsmaßnahmen. Ein Altlastenverdacht rechtfertigt hingegen nicht die Sanierung des Grundstücks, zu der die Beklagte von dem Berufungsgericht verurteilt worden ist. Die Beseitigung von Altlasten kann der Käufer erst dann verlangen, wenn sich der Verdacht bestätigt.
Entscheidend ist deshalb, ob über den Altlastenverdacht hinaus eine tatsächliche Bodenbelastung in einem Umfang vorliegt, der die von dem Berufungsgericht ausgesprochene Verurteilung zur Sanierung trägt. Hiervon kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden. Eine von der üblichen Beschaffenheit abweichende Belastung eines Grundstücks mit Schadstoffen und damit ein Mangel ist anzunehmen, wenn nach öffentlich-rechtlichen Kriterien eine schädliche Bodenveränderung oder eine Altlast im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes vorliegt (§ 2 Abs. 3 bzw. Abs. 5 BBodSchG). Für die Beurteilung, ob eine Belastung des Grundstücks mit Schadstoffen einen Sachmangel darstellt, können die zur behördlichen Gefährdungsabschätzung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BBodSchG maßgeblichen Prüf- und Maßnahmenwerte herangezogen werden. Liegen der Gehalt oder die Konzentration eines Schadstoffes unterhalb des jeweiligen Prüfwertes, ist insoweit der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BBodSchV ausgeräumt, und das Grundstück weist regelmäßig die übliche Beschaffenheit auf. Andererseits begründet allein die Überschreitung von Prüfwerten, von der das Berufungsgericht hier ohne Rechtsfehler ausgegangen ist, keinen über den Altlastenverdacht hinausgehenden Sachmangel, sondern erhärtet lediglich einen bereits bestehenden (allgemeinen) Verdacht.
Da das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen hat, dass im Innenhof und im südlichen Außenbereich des Grundstücks auch Maßnahmenwerte nach § 8 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 BBodSchG überschritten werden, hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung der Beklagten aufgehoben.
Die Voraussetzungen für eine abschließende Entscheidung über die Revision der Beklagten liegen nicht vor. Abweisungsreif ist der Hilfsantrag nicht. Auf den in den Kaufverträgen vereinbarten Haftungsausschluss kann sich die Beklagte nach § 444 BGB nicht berufen. Verschweigt der Verkäufer arglistig einen ihm bekannten Altlastenverdacht und bestätigt sich später der Verdacht, handelt er in aller Regel auch im Hinblick auf die – hier zu Gunsten der Klägerin zu unterstellenden - tatsächlich vorhandenen Altlasten arglistig.
Den in den ab dem 29. Mai 2013 geschlossenen Kaufverträgen enthaltenen Hinweis auf die Altlastenproblematik sieht das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als bagatellisierend und deshalb als unzureichend an. Zutreffend ist schließlich, dass der Anspruch gemäß § 439 Abs. 1 BGB bei dem Kauf einer gebrauchten Eigentumswohnung und Mängeln des Gemeinschaftseigentums auf volle – hier von der Klägerin verlangte - Nacherfüllung gerichtet ist. Es besteht nicht lediglich ein auf die Quote des Miteigentumsanteils beschränkter Anspruch auf Freistellung von Mängelbeseitigungskosten.
Schließlich kann der Hilfsantrag auch nicht deshalb abgewiesen werden, weil er auf ein zu weitreichendes Ziel, nämlich eine Sanierung, gerichtet ist, obwohl derzeit nur eine Gefahrerforschung verlangt werden kann. Zu diesem erstmalig von dem Senat hervorgehobenen Gesichtspunkt muss den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und die Möglichkeit eingeräumt werden, ggf. die Anträge umzustellen sowie ergänzend Beweis anzubieten.
(PM Nr. 162/2022 v. 11.11.2022)
WEG-Reform: Anhängige Klage eines einzelnen Wohnungseigentümers bleibt zunächst zulässig
(BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19) mehr
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 07.05.2021 (V ZR 299/19) eine mit Spannung erwartete Antwort auf die Frage gegeben, ob und ggf. wie sich die zum 01.12.2020 in Kraft getretene WEG-Reform auf beim Inkrafttreten der Reform schon anhängige Verfahren auswirkt:
Für die bereits vor dem 01.12.2020 bei Gericht anhängigen Verfahren besteht die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs (z.B. Verwalter) über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird.
Nach der bisher geltenden Rechtslage konnten einzelne Wohnungseigentümer „gemeinschaftsbezogene“ Rechte allein gerichtlich geltend machen, solange nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft diese Rechte durch einen Beschluss „an sich gezogen“ hat. Dies hat sich durch die WEG-Reform geändert: Gemäß dem neu eingeführten § 9a Abs. 2 WEG liegt die Ausübungsbefugnis für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte nun allein bei der Wohnungseigentümergemeinschaft; die Klage eines einzelnen Wohnungseigentümers wäre in solchen Fällen nun als bereits von vornherein unzulässig.
Der jetzige § 48 WEG enthält Regelungen zu Übergangsvorschriften für verschiedene Sachverhalte, die im neuen Gesetz anders geregelt sind als im bisher geltenden Gesetz. Der BGH musste nun entscheiden, welche Auswirkungen § 9a Abs. 2 WEG auf eine vor dem 1. Dezember 2020 erhobene Klage hat, insbesondere ob der Kläger mit Inkrafttreten dieser Vorschrift die ursprünglich bestehende Prozessführungsbefugnis verloren hat. Für diese Situation sieht das Wohnungseigentumsgesetz keine speziellen Überleitungsregelungen vor.
Im vorliegenden Fall hatte ein einzelner Eigentümer gegen den Eigentümer eines benachbarten Grundstücks geklagt und die Entfernung mehrerer Bäume, die dieser mit einem nachbarrechtlich zu gerungen Grenzabstand angepflanzt hatte. Die – bereits 2017 erhobene – Klage hatte in der ersten Instanz Erfolg; die Berufung des Nachbarn gegen das Urteil war zurückgewiesen worden. Über die hiergegen eingelegte Revision wurde vom BGH erst kurz nach dem Inkrafttreten der WEG-Reform verhandelt. Ob auch die Revision zurückzuweisen war oder sie nun allein aus dem Grund Erfolg hätte, dass der Kläger mit Inkrafttreten der WEG-Reform seine Klagebefugnis verloren hat, musste der BGH nun entscheiden.
Der BGH hat entschieden, dass die Übergangsvorschrift des § 48 WEG für diese Fallkonstellation eine planwidrige Regelungslücke enthält. Würde hier plötzlich die Prozessführungsbefugnis entfallen, wäre das gesamte bisherige Verfahren für die Parteien nutzlos und hätte ihnen nur Aufwand und Kosten verursacht. Die Gesetzesbegründung enthält keinen Hinweis, wie ein solcher Fall zu bewerten sein soll, was aber angesichts der Tragweite eines etwaigen Wegfalls der Prozessführungsbefugnis zu erwarten gewesen wäre. Zudem könnte ein solcher Wegfall der Prozessführungsbefugnis als ein Fall der sog. „unechten Rückwirkung“ zu bewerten sein. Dass das Gesetz zu diesen möglichen Folgen keinerlei Erläuterungen oder Hinweise enthält, spricht dafür, dass er die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung versehentlich nicht gesehen hat, es sich also um eine planwidrige Regelungslücke handelt.
Die demnach erforderliche Regelung für diese Fallkonstellation hätte sich einerseits am Rechtsgedanken des § 48 Abs. 5 WEG orientieren müssen, der die Fortgeltung der alten Regelungen für bereits anhängige Verfahren vorsieht, andererseits den Rechtsgedanken des § 9A Abs. 2 WEG, der die Durchsetzung der dort genannten Ansprüche nun nur noch der „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ zuordnet. Um beiden Rechtsgedanken zur größtmöglichen Realisierung zu verhelfen, dürfte die Prozeßführungsbefugnis des einzelnen Klägers nicht allein durch das Inkrafttreten der neuen Reglungen entfallen. Es müsste vielmehr der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsprechend dem Rechtsgedanken des § 9a Abs. 2 WEG die Möglichkeit gegeben werden, das anhängige Verfahren als Partei zu übernehmen oder umgekehrt ihm die Fortführung des Verfahrens zu untersagen, z.B. weil sie den Streit auf andere Weise als durch ein Gerichtsverfahren erledigen will.
Solange aber die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen will und insbesondere ihren Willen, dass das anhängige Verfahren nicht weiter betrieben werden soll, nicht auf irgendeine Weise zum Ausdruck bringt und das Gericht hierüber informiert wird, besteht die Prozeßführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers für ein bereits anhängiges Verfahren fort.
Anm. d. Verf.: Eine salomonische Entscheidung, die den praktischen Bedürfnissen der Beteiligten gerecht wird.
Wohnungseigentum: Lärmschutz bei Auswechslung des Teppichs
(BGH, Urteil vom 26.06.2020 - V ZR 173/19) mehr
Mit Urteil vom 26.06.2020 (V ZR 173/19) hat der Bundesgerichtshof folgendes entschieden:
Ein Wohnungseigentümer kann von einem anderen Wohnungseigentümer, der in seiner Wohnung den Bodenbelag ausgetauscht hat (Fliesen statt Teppichboden), die Einhaltung der schall-schutztechnischen Mindestanforderungen nach der DIN 4109 auch dann verlangen, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und ohne diesen Mangel der Trittschall den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche.
Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnung des Klägers befindet sich im zweiten Obergeschoss des 1962 errichteten Hauses, die Wohnung des Beklagten in dem darüber liegenden Dachgeschoss. Dieses war 1995 zu Wohnraum ausgebaut und mit Teppichboden ausgestattet worden. 2008 ließ der Beklagte den Teppichboden durch Fliesen ersetzen.
Der Kläger macht geltend, seitdem komme es in seiner Wohnung zu unzumutbaren Lärmbelästigungen durch Trittschall. Ein im Jahr 2013 von der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, dass die Trittschalldämmung der Wohnungstrenndecke mit dem Fliesenbelag nicht den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspricht.
Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, wieder Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von = 53 dB herzustellen.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landgericht hat das Urteil geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dem Hilfsantrag stattgegeben.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Rechtlicher Maßstab für die zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes bestehenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen, wozu auch der Oberbodenbelag gehört, nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Ein solcher Nachteil ist dem Kläger infolge des Austauschs des Bodenbelags in der Wohnung des Beklagten entstanden.
Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche. Zwar muss der Schallschutz in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden, insbesondere durch die Art und den Aufbau der Geschossdecke und des Estrichs. Daraus folgt aber nur, dass das mittels der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile bislang erreichte Schallschutzniveau bei Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum im Prinzip erhalten bleiben muss und jedenfalls nicht signifikant verschlechtert werden darf. Das ändert nichts daran, dass der Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG gehalten istnsbesondere bei der Änderung des Bodenbelags darauf zu achten, dass die durch die DIN 4109 vorgegebenen schallschutztechnischen Mindestanforderungen eingehalten werden.
Anders kann es sein, wenn bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer keine zumutbare Abhilfemöglichkeit hat. Solange er aber mit zumutbaren Maßnahmen an seinem Sondereigentum die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz einhalten kann, wie etwa durch die Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags, kann der andere Wohnungseigentümer gemäß § 1004 BGB und § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG von ihm die Beseitigung der Beeinträchtigungen seines Wohneigentums verlangen.
So ist es hier. Der Trittschallpegel überschreitet die maßgeblichen Grenzwerte der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 von 53 dB um 14 dB. Mit dem Fliesenbelag beträgt der Trittschallpegel 66 bis 67 dB. Dem Beklagten ist die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschall auch zumutbar. Er kann dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch vergleichsweise einfache Maßnahmen erreichen, nämlich durch die Verlegung eines Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags auf die bestehenden Fliesen. Welche Maßnahme er ergreift, bleibt ihm überlassen. Demgegenüber ist die Ertüchtigung des Gemeinschaftseigentums aufwändiger und mit weitaus höheren Kosten verbunden.
(PM Nr. 82/2020)
Altglascontainer vor Eigentumswohnung aufgestellt
(OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2020 - I-21 U 46/19) mehr
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit heute veröffentlichtem Urteil vom 21.01.2020 (I-21 U 46/19) folgendes entschieden:
Weil in der Nähe seiner neuen Wohnung eine Altglas- und Altpapiercontaineranlage errichtet wurde, hat ein Ehepaar aus Düsseldorf vergeblich den Bauträger auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat am 21. Januar 2020 die Berufung der Eheleute gegen das klageabweisende Urteil zurückgewiesen.
Die Eheleute hatten 2015 eine rund 140 qm große Vierzimmerwohnung im zweiten Obergeschoss im Jahr 2015 von dem Bauträger in Düsseldorf für rund 550.000 EUR gekauft. Die Wohnung liegt in einem größeren Neubaugebiet, in dem insgesamt rund 1.800 Wohnungen entstehen sollen.
Auf der anderen Straßenseite gegenüber der Wohnung errichtete die Stadt Düsseldorf eine Containeranlage für Altglas und Altpapier. Dass dies geschehen würde, wussten die Eheleute bei Kaufabschluss nicht. Sie fühlen sich deshalb von dem Bauträger arglistig getäuscht. Ihre Wohnung sei wegen der optischen Beeinträchtigungen und Lärm- und Geruchsbelästigungen, die von der Containeranlage ausgingen, rund 30.000 EUR weniger wert.
Ihre auf Zahlung eines Teilbetrags in Höhe von 10.000 EUR gerichtete Klage blieb auch in zweiter Instanz ohne Erfolg.
In seinem Urteil führt der Senat aus, die ökologisch sinnvolle Abfallentsorgung gehöre zum urbanen Leben, für das die Eheleute sich mit der Standortwahl ihrer Eigentumswohnung entschieden hätten. Die damit einhergehenden Beeinträchtigungen seien unvermeidbar und hinzunehmen. Aus der Höhe des von den Eheleuten gezahlten Kaufpreises ergebe sich kein anderer Maßstab: Auch in Wohnvierteln mit gehobenen Quadratmeterpreisen müsse die Abfallentsorgung sichergestellt sein.
(PM 10/2020)
05.12.2019
Kosten der Fernwärme für Gemeinschaftseigentum - Beteiligung aller Miteigentümer zulässig - es kommt nicht auf individuelle Bestellung oder Nutzung an
(EuGH, Urteil vom 05.12.2019 - C-708/17, C-725/17)
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Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 05.12.2019 (C-708/17, C-725/17) folgendes entschieden:
Jeder Eigentümer einer Wohnung in einem in Miteigentum stehenden Gebäude kann verpflichtet werden, sich an den Kosten der Beheizung der gemeinschaftlichen Teile des Gebäudes zu beteiligen.
Die Ausgangsrechtsstreitigkeiten stehen im Kontext zweier Klagen auf Zahlung von Abrechnungen, die an die Eigentümer einer Wohnung in in Miteigentum stehenden Gebäuden adressiert sind und sich auf den Verbrauch von Wärmeenergie der internen Anlage und der gemeinschaftlichen Teile dieser Gebäude beziehen, nachdem diese Eigentümer die Begleichung dieser Abrechnungen verweigern. Diese Eigentümer sind nämlich der Ansicht, dass ihr Gebäude zwar aufgrund eines zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Wärmeenergieversorger geschlossenen Versorgungsvertrags über ein Fernwärmenetz versorgt werde, sie jedoch nicht individuell in die Versorgung mit Fernwärme eingewilligt hätten und diese in ihren Eigentumswohnungen nicht nutzten.
Der EuGH hat entschieden, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die vorsieht, dass jeder Eigentümer einer Wohnung in einem in Miteigentum stehenden Gebäude verpflichtet ist, sich an den Kosten der Beheizung der gemeinschaftlichen Teile des Gebäudes zu beteiligen.
Nach Auffassung des EuGH stehen die Richtlinien 2011/83 über die Rechte der Verbraucher (ABl. 2011, L 304, 64) und 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken (ABl. 2005, L 149, 22) einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach die Eigentümer einer Wohnung in einem in Miteigentum stehenden Gebäude, das an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, verpflichtet sind, sich an den Kosten des Wärmeenergieverbrauchs der gemeinschaftlichen Teile und der internen Anlage des Gebäudes zu beteiligen, obwohl sie die Wärmelieferung nicht individuell bestellt haben und die Wärme in ihrer Wohnung nicht nutzen. Zudem stehen die Richtlinien 2006/32 (ABl. 2006, L 114, 64) und 2012/27 (ABl. 2012, L 315, 1) über Energieeffizienz dem nicht entgegen, dass die Abrechnungen über diesen Verbrauch für jeden Eigentümer einer Wohnung in einem in Miteigentum stehenden Gebäude proportional zum beheizten Volumen seiner Wohnung erstellt werden.
Der EuGH hat sich zunächst mit der Auslegung des Begriffs "Verbraucher" im Sinne der Richtlinie 2011/835 befasst und entschieden, dass unter diesen Begriff die Eigentümer und die Inhaber eines dinglichen Rechts bezüglich der Nutzung einer Wohnung in einem in Miteigentum stehenden Gebäude, das an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, in ihrer Eigenschaft als Kunden eines Energieversorgers fallen, soweit sie nicht gewerblich oder beruflich tätige natürliche Personen sind. Daraus sei abzuleiten, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge über die Lieferung von Fernwärme in die Kategorie der zwischen Unternehmern und Verbrauchern geschlossenen Verträge i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 fielen.
Sodann hat der EuGH den Begriff "unbestellte Lieferung" von Waren i.S.v. Art. 27 der Richtlinie 2011/83 präzisiert, indem er darauf hingewiesen hat, dass die Versorgung der internen Anlage und folglich der gemeinschaftlichen Teile eines in Miteigentum stehenden Gebäudes mit Wärmeenergie, die infolge einer von der Eigentümergemeinschaft des Gebäudes gemäß dem nationalen Recht angenommenen Entscheidung, dieses Gebäude an die Fernwärme anzuschließen, erfolgt, keine unbestellte Lieferung von Fernwärme darstellt.
Schließlich hat sich der EuGH zur Methode der Abrechnung des Wärmeenergieverbrauchs in in Miteigentum stehenden Gebäuden geäußert. Die Mitgliedstaaten stellten gemäß der Richtlinie 2006/326 sicher, dass alle Endkunden u.a. in den Bereichen Strom und Fernheizung individuelle Zähler erhalten, die den tatsächlichen Energieverbrauch genau widerspiegelten, wenn dies technisch machbar sei. Es scheine jedoch schwer vorstellbar, dass die Abrechnungen bezüglich der Heizung in in Miteigentum stehenden Gebäuden, insbesondere was die interne Anlage und die gemeinschaftlichen Teile anbelange, vollständig individualisiert werden könne, da die Wohnungen eines solchen Gebäudes aufgrund dessen, dass die Wärme zwischen den beheizten und den weniger beheizten Einheiten zirkuliere, in thermischer Hinsicht nicht voneinander unabhängig seien.
Daher stehen die Richtlinien 2006/32 und 2012/27 angesichts des weiten Gestaltungsspielraums, über den die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Methode zur Berechnung des Wärmeenergieverbrauchs in in Miteigentum stehenden Gebäuden verfügten, dem nicht entgegen, dass die Berechnung der von der internen Anlage eines solchen Gebäudes abgegebenen Wärme proportional zum beheizten Volumen der jeweiligen Wohnung erfolge.
(juris-Redaktion, PM EuGH 151/2019)
23.07.2019
(OLG Braunschweig, Urteil vom 20.06.2019 – 8 U 62/18) mehr
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat mit jetzt veröffentlichtem Urteil vom 20.06.2019 (8 U 62/18) folgendes entschieden:
Ob ein Mangel eines neu errichteten Tiefgaragenplatzes vorliegt, hängt nicht davon ab, ob die Voraussetzungen der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften wie hier der Stellplatzverordnung erfüllt sind. Vielmehr muss ein Werk (auf den vorliegenden Vertrag ist das Werkvertragsrecht des BGB anzuwenden) zusätzlich den nach dem Vertrag vorausgesetzten oder den üblichen Gebrauch ermöglichen.
Zum Sachverhalt:
Der Kläger hatte 2014 mit dem beklagten Bauträger einen Vertrag über eine zu errichtende Eigentumswohnung und einen Tiefgaragenstellplatz geschlossenen. Die Wohnung war mit einem besonderen Komfort beworben worden. Der Preis und die Lage des Objekts ließen auf einen mindestens geringfügig überdurchschnittlichen Standard schließen. Während alle anderen Stellplätze eine Breite von ca. 2,80 m aufweisen, ist der Stellplatz des Klägers nur knapp 2,50 m breit, wobei er auch neben einem Eckpfeiler liegt, der die Einfahrt erschwert. Konkrete Maße waren für den Stellplatz im Vertrag nicht vereinbart worden. Nach der einschlägigen niedersächsischen Stellplatzverordnung ist eine Mindestbreite von 2,50 m vorgeschrieben.
Der Kläger macht Minderungsansprüche wegen des nach seiner Ansicht zu schmalen Stellplatzes geltend. Dieser sei mit einem Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse nicht nutzbar, da aufgrund der örtlichen Verhältnisse der Stellplatz mit einem Fahrzeug dieser Größe gar nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand zu nutzen sei.
Das Landgericht in der I. Instanz hatte offengelassen, ob ein Mangel bereits deshalb nicht bestehe, weil die Mindestmaße der Stellplatzverordnung eingehalten seien; nach seiner Ansicht sei auch eine „übliche“ Nutzung möglich, was für einen vertragsgemäßen Zustand selbst dann ausreiche, wenn man eine entsprechende Eignung zusätzlich verlange.
Das Urteil:
Das OLG Braunschweig hat dieses Urteil geändert und den Bauträger zur Zahlung von 2/3 des anteiligen Kaufpreises für den Stellplatz verurteilt.
Ob ein Mangel vorliege, hänge nicht davon ab, ob die Voraussetzungen der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften wie hier der Stellplatzverordnung erfüllt seien. Solche Vorschriften stellen nur das absolute Mindestmaß dar, welches eingehalten sein muss. Wären diese Voraussetzungen nicht erfüllt, wäre nicht einmal die erforderliche Baugenehmigung erteilt worden, was schon für sich eine Mangel darstellen würde.
Vielmehr muss ein Werk (auf den vorliegenden Vertrag ist das Werkvertragsrecht des BGB anzuwenden) zusätzlich den nach dem Vertrag vorausgesetzten oder den üblichen Gebrauch ermöglichen. Das sei hier nicht der Fall.
Die Wohnungen der Eigentumsanlage waren mit einem besonderen Komfort beworben worden. Die Preise waren (mindestens etwas) überdurchschnittlich hoch, auch die Lage des Objekts war besonders gut. Dies alles lässt nach Ansicht des Gerichts erwarten, dass die Nutzer der Wohnungen Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse haben. Damit sei nach dem Vertrag eine solche Nutzung vorausgesetzt.
Durch einen vom Gericht beauftragten Sachverständigen war festgestellt worden, dass der Stellplatz mit einem Mitteklassefahrzeug (hier: der Audi A 4 Avant 2.0 TDI) nur rückwärts einparkend leicht zu erreichen wäre; da ein Wenden innerhalb der Fahrspur aber nicht oder nur mit großem Aufwand möglich wäre, müsste der Stellplatz hierfür auf einer Strecke von 58 m rückwärtsfahrend angesteuert werden, was unzumutbar sei. Um vorwärts einzuparken, müsse mehrfach und mit mindestens 8 Lenkbewegungen rangiert werden; dabei sei große Vorsicht zu beachten, um tatsächlich so einzuparken, dass die Fahrzeugtür auch ohne Schäden durch den Eckpfeiler und die Wand geöffnet werden könne.
Aufgrund dieser Feststellungen war nach Ansicht des Gerichts der Stellplatz zum nach dem Vertrag vorgesehenen Gebrauch nicht geeignet und damit mangelhaft.
Geeignet sei der Stellplatz nur für Kleinfahrzeuge oder Minis. Diese haben bei den Neuzulassungen aktuell einen Anteil von ca. 25 %. Auf Grundlage dieser Umstände schätze das OLG den Minderungsbetrag auf 2/3 des Kaufpreises für den Stellplatz.
14.06.2019
(BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 254/17) mehr
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 14.06.2019 (V ZR 254/17) folgendes entschieden:
Ein Wohnungseigentümer, der die Fenster seiner Wohnung in der irrigen Annahme erneuert hat, dies sei seine Aufgabe und nicht gemeinschaftliche Aufgabe der Wohnungseigentümer, hat keinen Anspruch auf Kostenersatz.
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) waren die Wohnungen ursprünglich mit verglasten Holzfenstern ausgestattet. Einige Eigentümer, darunter der Kläger, hatten diese bereits jeweils durch moderne Kunststofffenster mit Dreifachisolierglas ersetzt. Sie waren aufgrund einer entsprechenden Regelung in der Teilungserklärung der Ansicht, dies selbst tun und bezahlen zu müssen. Entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2. März 2012 (V ZR 174/11, NZM 2012, 419) zu einer vergleichbaren Regelung steht aber fest, dass auch solche Instandsetzungsarbeiten an Gebäudeteilen, die zwingend dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen sind, von der Wohnungseigentümergemeinschaft auszuführen und zu bezahlen sind. Der Kläger verlangte mit seiner Klage nun, ihm die Kosten von rund 5.500 Euro für seine Aufwendungen im Jahr 2005 zu erstatten.
Amts- und Landgericht haben die Klage jeweils abgewiesen. Auch die Revision beim BGH bleibt ohne Erfolg.
Ein Ersatzanspruch käme nach Ansicht des BGH nur unter den Voraussetzungen in Betracht, wie sie die speziellen Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes vorsehen, hier § 21 Abs. 4 und 5 WEG. Danach müssen die Wohnungseigentümer zunächst über etwa durchzuführende Instandsetzungsmaßnahmen entscheiden, soweit nicht ausnahmsweise ein Fall der sog. „Notgeschäftsführung“ (§ 21 Abs. 2 WEG) vorliegt. Eines solchen Beschlusses bedarf es auch dann, wenn die Instandsetzung zwingend durchzuführen ist, da auch hier regelmäßig noch ein Gestaltungsspielraum für die Art und Weise der Instandsetzung besteht und auch zu entscheiden ist, ob die Maßnahme allein oder im Zusammenhang mit weiteren Maßnahmen durchgeführt werden soll. Auch bei einer zwingend gebotenen Maßnahme muss der betroffene Eigentümer, der diese Maßnahme wünscht, den rechtlich vorgegebenen Weg einhalten und einen Beschluss der Wohnungseigentümer herbeiführen. Wird ein entsprechender Antrag abgelehnt, muss er ggf. eine Beschlussersetzungsklage (§ 21 Abs. 8 WEG) erheben oder eine einstweilige Verfügung beantragen.
An diesen Voraussetzungen ändert sich auch nichts, wenn ein Wohnungseigentümer in der irrigen Maßnahme, hierfür selbst und auf eigene Kosten tun zu müssen, eine Instandsetzung an einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteil vorgenommen hat. Wäre dies anders, würde das schutzwürdige Interesse der anderen Wohnungseigentümer nicht beachtet. Zwar müssten sie ihre Finanzplanung darauf einrichten, dass für unvorhergesehene Mängelbeseitigungen am Gemeinschaftseigentum einzustehen haben. Dies gilt aber nicht für Maßnahmen, die ohne ihre Mitwirkung an Beschlüssen bereits in der Vergangenheit ausgeführt wurden. Wurde, wie hier, über viele Jahre lang eine Regelung in der Teilungserklärung falsch angewendet, ergäbe sich sonst ein Erstattungsanspruch für viele Wohnungseigentümer, verbunden mit einem umfassenden „Hin- und Her-Ausgleich“, für den ein umfassender Ermittlungs- und Berechnungsaufwand anzustellen wäre, ohne dass das Ergebnis unbedingt als „gerecht“ anzusehen sein müsse.